Amsel auf Richtertisch: Prozess um Millionenbetrug bei Pflegedienst in München

Ein Münchner Pflegedienst lässt sich Leistungen vergüten, die nie erbracht wurden. Auf der Anklagebank sitzen drei Männer, die die Vorwürfe einräumen.
John Schneider
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Die Angeklagten sollen Prüfungen zur Einstufung des Pflegegrades gezielt manipuliert und ärztliche Verordnungen durch falsche Angaben zum Gesundheitszustand der Patienten erschlichen haben.
Die Angeklagten sollen Prüfungen zur Einstufung des Pflegegrades gezielt manipuliert und ärztliche Verordnungen durch falsche Angaben zum Gesundheitszustand der Patienten erschlichen haben. © jot

München - Aufregung im Gerichtssaal B 173 des Strafjustizzentrums: Ein Vogel hatte sich die weit geöffneten Fenster zunutze gemacht, um kurz vor dem Beginn der Verhandlung den Saal zu entern und auf die Richterbank zu fliegen.

Pflegedienst-Mitarbeiter, Ärzte und Patienten in Abzocke verwickelt?

Noch während der kurzen Aufregung werden die drei Angeklagten (29, 50 und 57 Jahre alt) in den Saal geführt. Einer von ihnen kommt auf Krücken. Eigentlich war auch noch die Lebensgefährtin eines Angeklagten auf der Anklage vermerkt. Doch die Frau (49) soll derzeit nicht verhandlungsfähig sein. Sie fehlt am Dienstag. Ihr und ihren Komplizen wird vorgeworfen, Leistungen abgerechnet zu haben, die nie erbracht wurden.

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Ein Beispiel: Der Pflegedienst lässt sich das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen bezahlen, obwohl dies die Angehörigen übernommen haben. Die unterschreiben dennoch den Leistungsnachweis. Im Gegenzug wird dann vom Pflegedienst die Wohnung sauber gemacht oder es wird beim Einkaufen geholfen.

Jedenfalls werden von den Betrügern keine oder nur wenige Leistungen erbracht, die man bei der Krankenkasse abrechnen lassen kann. Mit solchen Mitteln haben die drei Männer laut Anklage einen Schaden von mehr als zwei Millionen Euro verursacht.

Staatsanwaltschaft München arbeitet an drei großen Verfahrenskomplexen

Eine Masche, die derzeit in Mode ist: Betrug mit Pflegeleistungen hat zum Beispiel bei der KKH um über 60 Prozent im vergangenen Jahr zugenommen, die juristische Aufarbeitung läuft auf Hochtouren.  Allein die Staatsanwaltschaft München arbeitet an drei großen Verfahrenskomplexen wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs. Dutzende Pflegedienst-Mitarbeiter sind im Visier der Ermittler, aber auch Ärzte und Patienten machten fleißig bei der Abzocke in München und Augsburg mit.

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Im Fall des Münchner Pflegedienstes wurden vor allem russischsprachige Pflegebedürftige angeworben. Außerdem sollen die Angeklagten Prüfungen zur Einstufung des Pflegegrades gezielt manipuliert und ärztliche Verordnungen durch falsche Angaben zum Gesundheitszustand der Patienten erschlichen haben.

Prozess in München: Amsel sitzt auf Tisch der Richterin

Nach einem Verständigungsgespräch verlesen die Verteidiger am Dienstag Erklärungen, in denen ihre Mandanten die Vorwürfe weitgehend einräumen. Der 29-Jährige wird gemäß der Absprache um die drei Jahre in Haft gehen müssen, die beiden Komplizen müssen mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen.

Das alles wurde im Übrigen ohne Amsel verhandelt. Nach ein paar Minuten konnte der verwirrte Vogel dank der Robe der Protokollantin und dem schnellen Zugriff eines Justizbeamten gefangen und unverletzt in die Freiheit entlassen werden. Auf die werden die drei Betrüger wohl noch ein paar Jahre warten müssen.

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