Amok-Debatte: 46.000 Waffen in München

11.000 Waffenbesitzer in München - nur 2 Kontrolleure: Dabei gilt die Stadt schon als vorbildlich. 1,2 Millionen Waffen gibt es in Bayern und eine neue Diskussion über das Waffenrecht.
Tina Angerer, Thomas Gautier, Nina Job, Anne K. Koophamel |
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Der Schüler (14) schießt auf einem Sportplatz um sich. Gestern wird er ins Amtsgericht gebracht (kl. Foto).
dapd Der Schüler (14) schießt auf einem Sportplatz um sich. Gestern wird er ins Amtsgericht gebracht (kl. Foto).

MÜNCHEN/MEMMINGEN - Der Schock von Memmingen sitzt tief. Ein 14-Jähriger hat am Dienstag in einer Schule und auf einem Sportplatz in Memmingen mit den Waffen seines Vaters geschossen und Polizisten bedroht (AZ berichtete). Dass er an die Pistolen kam, indem er das elektronische Sicherheitssystem des Tresorraums seines Vaters überlistet hat, beunruhigt – und heizt die Diskussion um das deutsche Waffenrecht an. Die AZ beantwortet die wichtigen Fragen zum Fall.


„Memmingen ist der erneute Beweis, dass wir ein anderes Waffenrecht brauchen“, sagt Gisela Mayer vom Aktionsbündnis Winnenden. Ihre Tochter war eines der 15 Opfer von Tim K. „Wir fordern, dass Schützen, wenn sie schon ihre Waffen mit nach Hause nehmen, die Munition dort nicht aufbewahren dürfen. So groß ist der Aufwand für die Vereine nicht. Und der Täter von Memmingen hätte es wesentlich schwerer gehabt, an eine geladene Waffe zu kommen.“ Das Bündnis fordert ein generelles Verbot großkalibriger Waffen im Sport. Mayer: „Wie oft soll noch etwas passieren, bevor die Politik reagiert?“


„Weil wir es in Deutschland erlauben, dass Menschen zu Hause ihre tödlichen Sportwaffen aufbewahren, wäre es fast zu einer Schultragödie gekommen“, sagt die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth gestern. Deutsches Waffenrecht gehe „fahrlässig“ mit der Sicherheit der Menschen um. Der Bundestag lehnt eine Verschärfung ab. Eingeführt werden soll nur ein Zentralregister für legale Waffen. Bisher werden die Daten in 600 verschiedenen Behörden gespeichert.


Laut Bayerischem Sportschützenbund ist das Waffenrecht „vollkommen ausreichend“.

Menschliches Versagen „oder eine Lücke in der Sicherheitskette kann es immer geben“, sagt Sportschützenleiter Gerhard Furnier. Er lehnt eine Lagerung von Waffen im Vereinsheim ab: „Die sind am Ortsrand gebaut, da kann man ungestört einsteigen.“


Eine großkalibrige Waffe darf man ab 21. Dafür braucht man eine Waffenbesitzkarte. Um sie zu bekommen, müssen die Schützen körperlich und geistig geeignet sein. Wer unter 25 ist, muss außerdem ein psychologisches Gutachten vorweisen. Mit Besitzkarte darf man Waffen und Munition mit heim nehmen, geschossen werden darf nur auf dem Vereinsgelände. Nur wer einen Waffenschein hat, darf die Waffe auch außerhalb des Geländes, zum Beispiel zur Selbstverteidigung, benutzen.


Waffen und Munition müssen in unterschiedliche Schränke. Waffenschränke müssen gesichert werden, der Schlüssel darf in der Wohnung nicht zugänglich sein, der Besitzer darf elektronische Codes nicht weitergeben, auch nicht innerhalb der Familie. Wer zuwider handelt, dem droht der Entzug der Waffenbesitzkarte. Wer vorsätzlich den Zugang Unberechtigter ermöglicht, kann mit drei Jahren Haft bestraft werden.


11.000 Waffenbesitzer sind registriert. Sie besitzen 46.000 Waffen. Die Zahl ist in den letzten Jahren zurück gegangen. Nach dem Amoklauf in Winnenden 2009 besaßen noch 18.000 Münchner Waffenbesitzkarten für 65.000 Waffen. In ganz Bayern gibt es 295.000 Inhaber, die 1,2 Millionen Waffen besitzen. Davon sind 94.800 Sportschützen.


Dafür sind die Landratsämter zuständig, in München das KVR, Abteilung Waffenwesen. Hier arbeiten zwölf Mitarbeiter, die auch für Jagd- und Anglerscheine zuständig sind.


Anfang des Jahres hat das KVR erstmals zwei Männer als Waffenkontrolleure eingestellt, die auch unangemeldet und „verdachtsunabhängig“ prüfen, ob Waffen und Munition korrekt aufbewahrt werden.


München gilt da schon als positive Ausnahme. „Uns sind keine anderen Gemeinden bekannt, die dafür extra Personal aufgestockt haben“, sagt KVR-Sprecherin Daniela Schlegel.


Alle drei Jahre wird die „waffenrechtliche Zuverlässigkeit“ geprüft. Dafür holt das KVR Informationen beim Bundeszentralregister, beim staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister sowie der Polizei ein.


Das KVR hat nach Winnenden alle 18.000 Waffenbesitzer angeschrieben und aufgefordert, Nachweise zur Verwahrung zu liefern. Außerdem wurden sie aufgefordert, illegale Waffen freiwillig abzugeben. Bis Ende 2011 waren das 11.246 Schusswaffen. In ganz Bayern gaben innerhalb von sechs Monaten Waffenbesitzer 34.585 Waffen ab.


„Inzwischen sind es noch zehn Prozent“, sagte Schlegel vom KVR.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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