Abschied vom Wiesn-Henker Ringo Praetorius: Warum bei der Beerdigung kein Pfarrer war

Familie, Freunde und Weggefährten verabschieden sich emotional von Ringo Praetorius, dem legendären Henker vom Wiesn-Schichtl. Warum kein Pfarrer dabei war – und wer stattdessen die Trauerrede hielt.
Irene Kleber |
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Das letzte Geleit am Alten Perlacher Friedhof. Wiesn-Schichtl Manfred Schauer nimmt der Abschied von seinem Henker Ringo Praetorius sehr mit. Ringo wird im Praetorius-Familiengrab beigesetzt.
Das letzte Geleit am Alten Perlacher Friedhof. Wiesn-Schichtl Manfred Schauer nimmt der Abschied von seinem Henker Ringo Praetorius sehr mit. Ringo wird im Praetorius-Familiengrab beigesetzt. © Bernd Wackerbauer
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Da sitzt er mit seinen wilden dunklen Locken, dem imposanten Schnauzer, seinem durchdringend-gewitzten Ringo-Gschau, eine Zigarette in der Hand. "Prost sag i", steht auf dem Schwarz-Weiß-Foto.

Seine Liebsten haben es draußen vor dem Friedhofsgebäude am Perlacher Friedhof auf ein Podest gestellt, neben seine Urne. Zu Füßen liegt ein Herz aus Blumen. Keine weißen Rosen und Lilien, wie so oft auf Trauerfeiern. Feurig gelb-orange leuchtet das Herz, gebunden aus Sonnenblumen und Dahlien.

Hjalmar-Maximilian "Ringo" Praetorius, der Scharfrichter vom Wiesn-Schichtl: Mit seinem wilden Locken, dem gewitzten Ringo-Gschau und Zigarette in der Hand wird er vielen in Erinnerung bleiben.
Hjalmar-Maximilian "Ringo" Praetorius, der Scharfrichter vom Wiesn-Schichtl: Mit seinem wilden Locken, dem gewitzten Ringo-Gschau und Zigarette in der Hand wird er vielen in Erinnerung bleiben. © Bernd Wackerbauer

Das hätte ihm wohl gefallen: Hjalmar-Maximilian Praetorius, dem Lebenskünstler, Rebell, Charmeur, Bildhauer, Schankkellner und Christbaumverkäufer – vor allem aber: dem Henker vom Schichtl auf der Wiesn, den die meisten Menschen nur "Ringo" nannten. 40 Jahre hat er beim Schichtl-Schauspiel Menschen geköpft. 15.000 Vorstellungen, was für eine Zahl.

"Bloß koan Pfarrer" habe Ringo Praetorius sich für seine Trauerfeier gewünscht, sagt Neffe Michael Praetorius in seiner Rede am Friedhof.
"Bloß koan Pfarrer" habe Ringo Praetorius sich für seine Trauerfeier gewünscht, sagt Neffe Michael Praetorius in seiner Rede am Friedhof. © Bernd Wackerbauer

Ringos Wunsch: "Bloß koan Pfarrer!"

Für "heute Vormittag" habe der Ringo sich gewünscht, "dass wir nicht trauern", sagt sein Neffe Michael Praetorius in seiner Rede, "und er hat gesagt: Bloß koan Pfarrer!" Deshalb stehe im Sterbebild auch dieser schöne Ringo-Satz: "Mein Leben, so wie ich es lebe und gelebt habe, das reicht mir. Ich brauche keine Auferstehung. Ein Leben ist genug." Und deshalb sei nun auch keine Orgel zu hören, sondern Blues von der Blueslegende John Lee Hooker.

Zur Trauerfeier am Perlacher Friedhof sind mit Manfred Schauer (M.) auch viele Mitarbeiter seines „Schichtl-Kabinetts“ gekommen.
Zur Trauerfeier am Perlacher Friedhof sind mit Manfred Schauer (M.) auch viele Mitarbeiter seines „Schichtl-Kabinetts“ gekommen. © Bernd Wackerbauer

Dass Ringo Praetorius Stimme Anfang Juli für immer verstummt ist, nimmt die Trauergäste sichtlich mit: seine Witwe Alexandra, die 13 Jahre an Ringos Seite war, seine 92-jährige Stiefmutter Sigrun, Florian Myrus, den Kult-Kassier von der Wiesn-Krinoline. Auch Manfred Schauer ist da, der Wiesn-"Schichtl", zwölf Mitarbeiter seines "Kabinetts" sind mitgekommen. Wie Ringos Freund, der Henkersknecht Andreas Bussmann, der mit Ringo 7000 Hinrichtungen erledigt hat. Von ihm hatte der Verstorbene sich eine Trauerrede gewünscht.

"Ringo war mein Fels in der Brandung", sagt Schichtl-Henkersknecht Andreas Bussmann (l.) neben Krinoline-Kassier Florian Myrus.
"Ringo war mein Fels in der Brandung", sagt Schichtl-Henkersknecht Andreas Bussmann (l.) neben Krinoline-Kassier Florian Myrus. © Bernd Wackerbauer

"Ringo war mein Fels in der Brandung."

Und so erzählt Bussmann von Ringos Worterfindungen, vom "Pumakäfig", wie er den engen Raum hinter der Schichtl-Bühne gern genannt hat. Von Ringos Witz und Grant. Und seinem Ansinnen, irgendwann einmal zum Wiener Zentralfriedhof zu fahren, um den Komponisten Franz Lehar selig auszugraben und zu erwürgen. Weil er dessen Dauer-Walzerbeschallung beim Schichtl einfach nicht mehr hören könne. "Ringo", sagt Bussmann, "war mein Fels in der Brandung."

"Ringo, du warst und bleibst mein geistiger Freund." Ringo Praetorius Ehefrau Alexandra war 13 Jahre an seiner Seite.
"Ringo, du warst und bleibst mein geistiger Freund." Ringo Praetorius Ehefrau Alexandra war 13 Jahre an seiner Seite. © Bernd Wackerbauer

Als Neffe Michael davon spricht, dass Ringo für ihn "der beste Beweis" dafür sei, "dass eine gute Geschichte nicht aus einem Anfang und einem Ende besteht. Sondern aus allem dazwischen, was nicht vorhergesehen war", versagt ihm die Stimme.

Ringo wird im 80 Jahre alten Familiengrab beigesetzt, neben seiner letzten Sommer verstorbenen Schwester Evi.
Ringo wird im 80 Jahre alten Familiengrab beigesetzt, neben seiner letzten Sommer verstorbenen Schwester Evi. © Bernd Wackerbauer

Wenig später geben rund 200 Trauergäste Ringos Urne das letzte Geleit zum Familiengrab, wo letzten Sommer auch seine Schwester Evi begraben wurde. Nun öffnet auch der Himmel seine Schleusen.

"Danke für wunderbare 13 Jahre", sagt seine Frau Alexandra. Man kann sich vorstellen, dass Ringo Praetorius da oben auf einer Wolke sitzt, raucht, frech schaut und knurrt: "Prost, sag i."

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