6000 Wohnungen statt Großmarkt? Diese Pläne gibt es für Sendling

Audio von Carbonatix
Straßen, auf denen keine Autos fahren, dafür mit vielen Bäumen. Wohnungen mit drei Meter hohen Decken. Begrünte Innenhöfe, begrünte Dächer. Alles so dicht bebaut wie in Haidhausen oder Schwabing mit Fassaden, die das Auge nicht langweilen, mit einer Gebäude-Höhe, die nicht erschreckt, mit Plätzen, an denen die Menschen zusammenkommen. So kann man die Vision von Tilmann Rohnke für das Großmarkt-Areal zusammenfassen. Der Architekt, der seit gut 40 Jahren Wohnungen in München baut, schätzt, dass sich dort bis zu 6000 Wohnungen realisieren lassen. In diese könnten etwa 12.000 Menschen einziehen.
Rohnke zeigt der AZ eine Präsentation, an die er eigentlich schon seit Monaten fertig hat. Doch erst jetzt will er damit an die Öffentlichkeit, zuerst hat er sie der "SZ" gezeigt. Denn erst seit wenigen Tagen ist beim Großmarkt wieder alles offen. Der Investor Ralf Büschl fand für das Projekt keinen weiteren Geldgeber. Er hat deshalb entschieden, bei der Stadt kein Angebot für einen neuen Großmarkt abzugeben. Wie geht es jetzt weiter?
"Eine der schönsten Flächen in München"
Der Stadt gehört das Grundstück. "Das ist eine der schönsten Flächen, die man überhaupt in München haben kann", sagt Rohnke. Er würde dort gerne "Sendling weiterbauen", wie er sagt. Ein paar Gebäude blieben in dieser Vision erhalten. Zum Beispiel die Gaststätte Großmarkthalle – nur bekäme die einen Biergarten, womöglich sogar einen kleinen Teich. In die denkmalgeschützte Halle könnte wieder eine Markthalle einziehen – allerdings eher ein "überdachter Viktualienmarkt", wie Rohnke sagt, wo jeder Obst, Gemüse und Feinkost einkaufen und sich auch mal auf ein Glas Wein treffen könnte.

Das neue Viertel wäre gut erschlossen. Zwei U-Bahnstationen gibt es schon. Auch die Bahngleise führen am Großmarkt vorbei. "Früher war dort der Südbahnhof", sagt Rohnke. Er ist überzeugt, dass sein Entwurf kostengünstig umsetzbar wäre – durch eine serielle Bauweise, die trotzdem nicht eintönig wirken soll, weil sich die Fassaden unterscheiden würden. Gleichzeitig will er auf teure Technik verzichten – und dafür die Räume höher, also luftiger bauen. So ähnlich wie in einem Altbau eben.
Ist das alles reine Träumerei? Oder verabschiedet sich das Rathaus langsam tatsächlich vom Großmarkt in Sendling? Die Idee des Architekten sei zwar charmant, heißt es von einem Mitglied der SPD-Fraktion. Nur fragt sich dieser SPDler auch: "Was wird dann aus den Händlern? Für die brauche es unbedingt eine Perspektive."
40 Millionen Euro kostet die Sanierung – bis jetzt
Fraglich ist allerdings, wie die aussehen könnte – immer noch, obwohl die Stadt schon seit über zehn Jahren weiß, dass der Großmarkt marode ist. Das Kommunalreferat hat vom Stadtrat den Auftrag bekommen, den Betrieb bis 2030 zu sichern. Denn bis dahin sollte eigentlich die neue Halle stehen. Den Brandschutz zu gewährleisten und zu verhindern, dass die alten Mauern zusammenkrachen, verschlingt allerdings jedes Jahr enorme Summen. Von 2021 und bis Ende 2025 veranschlagte die Stadt fast 40 Millionen Euro, ist aus dem Kommunalreferat zu erfahren. "Ginge es nicht doch noch ein paar Jahre über 2030 hinaus? Und, was würde das kosten?", fragt sich der SPDler. Denn schließlich laufen Pachtverträge noch bis Ende der 2030er Jahre.
Weil es noch keinen offiziellen Fraktionsbeschluss zum Großmarkt gibt, will der SPDler seinen Namen lieber nicht nennen. Anders als der CSU-OB-Kandidat Clemens Baumgärtner. Er plädiert dafür, den Großmarkt noch bis 2037 oder 2038 (also so lange die Pachtverträge noch laufen) in Sendling zu belassen. In der Zwischenzeit müsse sich das Rathaus darüber klar werden, ob der Großmarkt langfristig dort bleiben oder auf ein anderes Grundstück am Stadtrand ziehen soll. Im Gespräch sind verschiedene Grundstücke – etwa in Freiham. Auch ein Grundstück in Riem, wo ein Containerlager untergebracht ist, soll laut SZ infrage kommen. Doch da könnte ein neues Löwen-Stadion hin. Diese vor Jahren schon mal diskutierte Idee zumindest hat OB Dieter Reiter (SPD) kürzlich im AZ-Interview wieder konkret aufgeworfen - und dem TSV 1860 das Areal angeboten.
Ein gutes, passendes Grundstück für einen neuen Großmarkt sei ihm von der Verwaltung noch nicht genannt worden, sagt Grünen-Stadtrat Christian Smolka. "Es fehlt eine Alternative", meint er. Und so lange das so sei, will zumindest er auf dem Areal keine Wohnungen planen. Gleichzeitig fehle ihm aber auch die Fantasie, woher die Stadt das Geld nehmen soll, einen neuen Großmarkt zu bauen. "An einem neuen Ort wird das bestimmt auch nicht günstiger", meint er. Ist das also das Ende des Großmarktes in München? "Das will ich nicht hoffen, wir müssen jetzt Fantasie entwickeln, wie wir ihn behalten können", meint Smolka. Und nicht nur er ist fest davon überzeugt, dass es ein Fehler war, dass SPD und CSU, die damals gemeinsam regierten, sich davon verabschiedeten, die Halle selbst zu bauen, sondern auf einen Investor setzten.
"Ein absoluter Fehler"
"Das war eine fatale Entscheidung, ein absoluter Fehler", sagt der Chef des Sendlinger Bezirksausschuss Markus Lutz von der SPD. 140 Millionen Euro hätte die Halle damals kosten sollen. Inzwischen würde der Preis wohl bei einem Vielfachen liegen. Sein Gremium hat am Montagabend auf einen Antrag der SPD hin dafür gestimmt, dass die Großmarkthalle in Sendling bleiben soll. Außerdem soll die Stadt noch dieses Jahr einen Runden Tisch einberufen, um Klarheit darüber zu schaffen, wie es weitergeht. Auch ein kleinerer Großmarkt ist eine Option, die man ins Auge fassen könnte, meint Lutz. Dann würde Platz für Wohnungen frei. Dass sich Wohnungen und Großmarkt nicht gegenseitig ausschließen, sieht übrigens auch der CSUler Baumgärtner so. Theoretisch, meint er, könnte die Stadt schon längst bauen – zum Beispiel auf einem Parkplatz an der Thalkirchner Straße, den gerade kaum einer nutze.
Wichtig ist BA-Chef Lutz nur eines: "Es muss eine Entscheidung her." Er verstehe zwar, dass die Zeiten schwierig seien, allerdings stört es ihn, dass "nur aufgeschoben und aufgeschoben" werde. "Es wäre gut, wenn der OB sagt, welchen Weg wir gehen und wenn er sich als Sendlinger klar zum Großmarkt bekennt."
"Keiner will Verantwortung übernehmen"
Nicht nur in der lokalen Politik wächst die Ungeduld. Auch die Händler verlieren langsam das Verständnis. "Ich habe das Gefühl, keiner will die Verantwortung übernehmen. Es gibt keine klare Führung, keine klaren Ansagen", findet Marco Stohr. Er ist der Sprecher der Händler auf dem Viktualienmarkt und bekommt sein Obst teilweise vom Großmarkt.
"Ich war immer dafür, dass der Großmarkt raus geht aus Sendling", sagt er. Aus seiner Sicht macht der Standort mitten in der Stadt, wo die Quadratmeterpreise teuer seien und wo die Anwohner über Lärm klagen, keinen Sinn. Wo der Großmarkt dann hin soll, kann Stohr allerdings auch nicht beantworten. "Ob nach Aschheim oder Solln spielt keine Rolle, solange er gut angebunden ist", meint er.
Sorgen macht ihm nur eines: Was, wenn die Stadt den Großmarkt komplett aufgeben würde? "Über den Münchner Großmarkt werden fünf Millionen Menschen mit Lebensmittel versorgt", sagt Stohr. 250.000 Tonnen Waren werden dort umgeschlagen. Fällt der Großmarkt weg, hat das aus seiner Sicht vor allem zwei Folgen: "Das Angebot wird schlechter. Und die Preise teurer."
- Themen:
- CSU
- Dieter Reiter
- SPD
- Viktualienmarkt