25.000 Münchner - aber kein Götterfunke

Den ganzen Tag über füllt sich die Fanmeile in der Stadt – bis am frühen Abend die Enttäuschung einsetzt. Kein Olympia 2018 in München. Das war der Tag der Entscheidung
von  Tina Angerer

Den ganzen Tag über füllt sich die Fanmeile in der Stadt – bis am frühen Abend die Enttäuschung einsetzt. Kein Olympia 2018 in München. Das war der Tag der Entscheidung.

 

München - Ein Helfer hält erhellenderweise ein blaues Schild hoch mit dem Hinweis: „Marienplatz überfüllt.“ Tausende drängen sich kurz vor der Entscheidung auf den Platz, am Rand geht nichts mehr. Auf der Bühne versuchen die Moderatoren auch nach der schlechten Nachricht vom ersten Wahlgang, die Hoffnung hochzuhalten. Sie proben das Jubeln, das dann „in der ganzen Welt“ zu sehen sein soll. Und sie heizen die eh schon sonnengegrillten Massen mit Rufen wie „Prost ihr Säcke!“ an.

„Das ist ja wie Fasching“ sagt eine Frau, die erfolglos versucht, sich vor- oder rückwärts zu bewegen. Ihr Begleiter ergänzt: „Eine Meisterfeier ist nix dagegen.“

Als Jacques Rogge den Umschlag nimmt, wird selbst die Menge am Marienplatz still. Sein Ausspruch „Pyeongchang“ versinkt in einem kollektiven Raunen. Später wird ein bisschen gepfiffen, ansonsten nimmt es der Münchner locker auf. „Ich hab’s gwusst“, sagt ein junger Mann, und sein Freund fällt ihm ins Wort: „Sowieso, des war klar. Komm hauma ab.“

Die Tölzer Sängerknaben haben jetzt die undankbare Aufgabe zu singen, während die ersten schon den Marienplatz verlassen. Im Erfolgsfalle hätte sie ein erhabenes „Freude schöner Götterfunken“ singen sollen. Das fällt jetzt aus. Was am Marienplatz und auf der „Fanmeile“ die Mega-Party mit 25.000 Feiernden werden sollte, ist nun etwas gedämpft, aber immerhin noch ein Sommerfest in der Fußgängerzone.

„Die haben halt am meisten gezahlt“, sagt einer. Das hört man an diesem Abend öfter. Ein Trachtler reibt bei der Frage nach dem koreanischen Erfolgrezept nur Daumen und Zeigefinger aneinander und sagt: „Diridari“.

Schon seit dem Morgen hat die Stadt am Marienplatz gefeiert, begonnen mit der Präsentation der Münchner in Südafrika, übertragen auf Großbildleinwand. Als Willy Rehm in Durban jodelte, jubelten die ersten Zuschauer – und dann wieder, als OB Ude und Beckenbauer sprachen.

Mittags hatten sie alle spontan getanzt: ein Flashmob gehört ja heute zum guten Ton. Und die Touristen, zum Beispiel die Tan Yongthung, hatten schön gestaunt. „Es ist unglaublich“, sagte die Chinesin, als sie die Isargauer Trachtler auf der Bühne schuhplatteln sah. Mit so einem Spektakel hatte die Frau, die während ihrer 14-tägigen Europareise per Bus genau einen Tag in München ist, nicht gerechnet.

Am Fischbrunnen hatte sich der Münchner Alex Hufnagel platziert, mit seinem Strohhut und seinem schwarzrot-goldenen München-Shirt. Seine Botschaft: „Olympia kommt von Olymp – und die ganze Welt soll sehen, wie sehr die Götter München lieben.“

Und jetzt? Alles umsonst? Eine Gruppe von Volunteers, also freiwilligen Helfern, die hier als Ordnungsdienst mitgemacht haben, steht ein bisschen benommen an der Ecke zur Dienerstraße. „Ja mei, ist nicht so schlimm“, sagt Katharina Wagner. Sie tröstet sich damit, dass die Ordnung jetzt wohl schneller wieder hergestellt sein wird. Und Franz Risch, Schankkellner beim Augustiner-Standl auf der Fanmeile sagt: „Natürlich hätte es für München die Party hoch zwei werden können. Aber solange das Wetter gut ist, trinkt der Münchner sein Bier. Passt scho.“

So sieht es auch Alex Koch, der ausgelassen tanzt. „Wir haben doch eh gewusst, dass es nix wird. Aber München sollte endlich mal wieder feiern.“ Auch in der Abendsonne steigen noch, wie schon den ganzen Tag über, Eisblumen in die Luft – in der Form des Münchner Bewerbungs-„M“, als Schriftzug „2018“ oder als Schneekristall wie Mega- Schneeflocken. So wollte man etwas Winterzauber in den Sommer bringen. Besonders die Kinder hatten immer wieder versucht, die Blumen zu erwischen. Die sind allerdings genauso aus Schaum wie die Träume von einem München 2018. Passenderweise ist das Gemisch aus Wasser, Seife und Helium derart gemacht, dass es sich nach einer halben Stunde auflöst.

Im Münchner Himmel zerfällt es schließlich zu: nichts.


 

 

 


 

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