100 Jahre altes Haus könnte abgerissen werden: Ein Zeugnis des fast verschwundenen Milbertshofen

Ein über hundert Jahre altes Haus in Milbertshofen könnte einem Neubau weichen. Doch die AZ-Recherche ruft den Denkmalschutz auf den Plan. Er wird erst durch die AZ auf das Haus aufmerksam.
Myriam Siegert
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Ein geneigtes Dach, ein Erker, hübsche Fassadendetails: das Haus Schleißheimer Straße 314 ist über 100 Jahre alt und zeigt, dass es im Viertel einst anders ausgeschaut hat.
Ein geneigtes Dach, ein Erker, hübsche Fassadendetails: das Haus Schleißheimer Straße 314 ist über 100 Jahre alt und zeigt, dass es im Viertel einst anders ausgeschaut hat. © privat

Milbertshofen - Schöne Fassaden, alte Häuser, Spuren eines alten München - in der AZ geht es immer wieder um diese Themen. Und auch viele unserer Leser und Leserinnen können sich dafür begeistern.

AZ-Leserin macht auf dieses prachtvolle Haus aufmerksam

So schrieb uns kürzlich eine Schwabinger Leserin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen mag: "Bei einem Spaziergang sah ich durch Zufall dieses Haus in der Schleißheimer Straße 314. Es ist ein Prachtexemplar, allerdings wohl bis auf den Laden im Erdgeschoss leer." Sie schwärmt: "Die Fenster, das Treppenhaus - alles im Originalzustand sogar das alte Hausnummernschild."

Tatsächlich, das vergleichsweise kleine Haus, eingerahmt von neueren Blöcken späterer Jahrzehnte, sticht aus der Häuserzeile heraus. Hier im Norden der Schleißheimer Straße ist nicht arg viel historische Bausubstanz erhalten. Dabei reihten sich hier um die Jahrhundertwende neben Fabriken auch viele Prachthäuser der Villensiedlung Riesenfeld aneinander.

AZ-Anfrage beim Planungsreferat: Neubau geplant 

In diese Richtung denkt auch die Leserin: "Leider wurden solche Häuser in der Vergangenheit oft abgerissen und ich wollte fragen - bevor es zu spät ist - was mit diesem Haus geplant ist."

Eine nachvollziehbare Frage, die wir gerne weitergeben. Es zeigt sich - die Leserin liegt richtig. Auf Anfrage der AZ erklärt das städtische Planungsreferat, dass zum Jahresanfang 2022 ein Bauantrag für einen "Neubau eines Wohnhauses mit zwölf Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage mit Multiparkern mit elf Stellplätzen und zwei barrierefreien Stellplätzen" eingereicht wurde.

Abriss steht bevor: Wie steht es um den Denkmalschutz? 

Wird dieser Bauantrag genehmigt, wird das Haus also abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Wie lange die Bearbeitung des Antrags dauere, sei noch nicht abzusehen, erklärt Planungsreferat-Sprecher Ingo Trömer. Ein Abriss des Hauses sei jedenfalls noch nicht angezeigt worden.

Ein so hübsches Haus einfach abreißen? Gilt denn hier kein Denkmalschutz? Für diese Frage ist das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege zuständig. Dies erklärt auf Anfrage, bisher sei das Gebäude noch nicht auf seine Denkmaleigenschaft geprüft worden.

Denkmalschutz wird durch AZ-Recherche auf das Haus aufmerksam

Aber: Es handle sich hier um einen "zweigeschossigen Mansarddachbau mit Mittelerker, großer Standgaube und klassizisierender Gliederung aus einer Entstehungszeit wohl um 1900/10. Für die bauliche Entwicklung von Milbertshofen als damals noch vorstädtischer Bereich legt es im Zusammenhang mit den weiteren, in der Nähe befindlichen Baudenkmälern Zeugnis ab", so die Auskunft. Und weiter: "Aus den Bauakten der Landeshauptstadt München geht hervor, dass das Wohnhaus mit Laden im Jahr 1913 erbaut wurde. Zumindest an der Fassade ist es noch umfassend aus der Bauzeit überliefert."

Tiefergreifende Informationen könne man erst nach eingehender Prüfung des Gebäudes auf Denkmaleigenschaft und den damit einhergehenden Recherchen zur Historie geben.

Deshalb, so das Landesamt, halte man "die Prüfung der Denkmaleigenschaft für angezeigt und hat sich hierzu an die Landeshauptstadt München gewandt." Tatsächlich sei man durch die AZ-Anfrage auf das Haus aufmerksam geworden.

Genauere Untersuchung des Haus in Milbertshofen steht aus 

Das Landesamt wird das Haus also genau untersuchen, wann das passieren wird, ist aber - auch pandemiebedingt - noch nicht klar. Mit der offiziellen Anzeige der Überprüfung habe man aber auch um die Aussetzung aller Verfahren gebeten, heißt es.

So lange also das Ergebnis einer solchen Untersuchung aussteht, kann die Lokalbaukommission die Entscheidung über den Bauantrag aussetzen, erklärt wiederum das Planungsreferat.

Abrissanzeige wird bis zur Untersuchung nicht genehmigt 

Sollte in der Zwischenzeit eine Abrissanzeige eingehen, wird diese erst einmal nicht genehmigt. Sollte das Haus tatsächlich unter Denkmalschutz gestellt werden, genügt es nicht mehr, einen Abriss anzuzeigen, dann bräuchte es grundsätzlich eine Genehmigung zum Abriss.

Der Bezirksausschuss Milbertshofen war mit dem Fall übrigens noch nicht befasst, erklärt BA-Chef Fredy Hummel-Haslauer (SPD). Beim BA sei der Bauantrag gerade erst eingegangen. Die Stadtviertelgremien haben bei Bauvorhaben beratende Funktion und können diese befürworten oder ablehnen.

Ob an der Schleißheimer Straße 314 also wirklich abgerissen wird, ist noch nicht entschieden.

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  • Mourningdove am 09.02.2022 22:50 Uhr / Bewertung:

    @tutnixzursache:
    Und deswegen muß alles, was jetzt gebaut werden "darf", automatisch häßlich aussehen?
    Warum kann man nicht dennoch schöne , nach "Haus", nach "Heim" aussehende und nicht nach "Schachtel" anmutende Objekte bauen, also billige, uniforme, abgehobene, seelenlose Klötze, die "der Kunde so will" (wohl eher der Architekt,der sparen möchte)?
    Was hat man von Flachdächern, auf denen Wasser nicht abläuft und die irgendwann undicht werden, von Wänden, die nur aus bodentiefen Fenstern bestehen, an die man keine Möbel stellen kann, von Wohnküchen, wo alle (Polster)Möbel voller Essensdunst werden und schimmeln? (ist mir so passiert). Der Kunde will das sicher nicht so. Menschen wollen nicht verräumt werden wie Holzklötze, sie wollen sich in einer Heimat(stadt) wohlfühlen, und dazu gehört auch das optische Erscheinungsbild einer solchen.

  • Kadoffesalod am 10.02.2022 11:54 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Mourningdove

    Ein Flachdach baut man heutzutage nach Flachdachrichtlinie und DIN 18531 mit einem Mindestgefälle von 2 % bzw. 2,9 %. Besser ist ein Gefälle von um die 5 % und mehr. Ab ca. 11 % wird das Flachdach zu einem Pultdach.

    Mit quaderförmigen Baukörpern kann man eben die vermarktbaren Wohn- und Nutzflächen besser ausreizen als mit der traditionellen Häuslform.

    Bodentiefe Fenster und Wohnküchen werden tatsächlich von vielen Kunden gewünscht. Die (meist ungelernten) Makler und Verkäufer schwelgen genauso wie Architekten und Medien in Phrasen wie "lichtdurchflutet", "hell", "luftig" und "offen". Wobei die klassische Wohnküche eh schon überholt ist. Richtig "trendy" ist ein riesiger Wohn- und Essbereich, in welchem die Küche integriert ist. Der Essensdunst spielt kaum eine Rolle da a) eh nicht so viel gekocht wird und b) von einem Hochleistungsdunstabzug, der als Designobjekt entweder fest montiert ist oder automatisch mit elektrischem Antrieb ausfährt, abgesaugt wird.

  • Kadoffesalod am 09.02.2022 18:10 Uhr / Bewertung:

    Also ein prachtvolles Prachtexemplar ist ganz was anderes.

    Das Haus ist maximal ganz nett bzw. war es mal ganz nett und hübsch.

    Die schlimmste und nicht mehr zu revidierende Beeinträchtigung erfolgte damit, dass es zwischen den zwei großen Mehrfamilienhäusern eingezwickt worden ist. Die Tür- und Fensterelemente vom Ladengeschäft haben die Optik weiter geschädigt.

    In der oberen Wohnung wird es im Winter erfrischend kühl und im Sommer mollig warm sein. Ein Mansarddach mit solchen Gauben zu dämmen, ist sehr aufwändig und teuer. Ebenso die Dämmung der Außenwand, welche sehr zerklüftet ist. Besonders teuer ist auch der Ersatz solcher Kastenfenster in denkmalkonformer Art und Weise.

    Machbar ist alles, aber bei der geringen Wohnfläche wäre eine umfangreiche Sanierung und Modernisierung unrentabel.
    Wenn man es nur renoviert ist das billiger, aber die Kosten für Heizung und Klimatisierung fressen einen mit der Zeit auf.

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