Royal Clipper: Aufgetakelt
Civitavecchia - „Und wo ist jetzt der Bug und wo das Heck?“, fragt John grinsend. Stirnrunzeln. Keine Ahnung, wo am Schiff nun vorn und hinten ist. Schließlich sind wir gerade mal drei Stunden an Bord der „Royal Clipper“, einem modernen Windjammer. Empfang am Hauptdeck, dann runter in die Kabine, wieder rauf in den Speisesaal und nun noch ein Deck höher an die Tropical Bar. Wie soll man da die Orientierung behalten?
Nur gut, dass es offenbar allen so geht. Wenig später ist das kein Thema mehr, die „Royal Clipper“ sticht in See. Im Hafen von Civitavecchia werden Segel gesetzt, es ertönt die getragene Hymne „Conquest of Paradise“ des griechischen Musikers Vangelis. Sie wird das Schiff die nächsten Tage begleiten - wann immer der Fünfmaster zur nächsten Etappe aufbricht. Eine Portion Pathos ist schon dabei. Doch der stolzen „Royal Clipper“ ist er angemessen. Sie ist der Star. Wo immer sie auftaucht, fliegen ihr die Blicke zu. Gigantische 54 Meter misst der Hauptmast, für niedrige Durchfahrten kann er geklappt werden.
Das Segeln steht im Mittelpunkt der Schiffspassagen
13 Crewmitglieder sind für die Besegelung notwendig - auch wenn fast alles vollautomatisch abläuft. Sind alle Segel gesetzt, spannen sich 5200 Quadratmeter Tuch über den Passagieren - 42 Segel zwischen dem Außenklüver am Bug, dem Groß-Royal ganz oben am Hauptmast und dem Besan am Heck. Damit ist auch klar, was dieses Kreuzfahrtschiff so einmalig macht. Das Segeln steht im Mittelpunkt der Schiffspassagen, die meisten Passagiere sind vor allem deshalb an Bord.
Wann immer Windstärke und -richtung es erlauben, gibt Kapitän Sergey aus Estland das Kommando, Segel zu setzen - aber nur so viele, dass die Krängung (Neigung) nicht über sechs Prozent liegt. Einige Segel, wie Klüver und Groß-Bramstag, stehen aber fast immer im Wind. So kommt die „Royal Clipper“ unter Segeln auf bis zu 18 Knoten, rund 33 Kilometer pro Stunde. Kapitän Sergey teilt sich mit sechs Kollegen die Schiffspassagen der „Royal Clipper“ und der beiden Viermaster „Star Flyer“ und „Star Clipper“. Die Männer sind jeweils vier Monate lang auf der Brücke, haben dann vier Monate Pause.
Im Winter kreuzen alle drei Schiffe zwischen Karibikinseln, im Sommer befährt die „Star Flyer“ die Ostsee, ihre Schwester sowie die „Royal Clipper“ das Mittelmeer. „Jedes Schiff hat sein Publikum“, sagt Hotelmanagerin Anita, die für die Kabinen zuständig ist. Die „Kleinen“ gehen stärker in den Wind, sind für sportliche Naturen. Die „Royal“ hat viel Platz an Bord, viel Komfort und ist das Flaggschiff der Star Clippers. Als größter der Großsegler steht sie natürlich auch im Guinness-Buch der Rekorde.
Taufpatin war im Jahr 2000 Königin Silvia von Schweden. Das ist kein Zufall, denn auch die Eigentümer, das Ehepaar Krafft, sind Schweden. Sie kann man immer wieder auf den drei Schiffen antreffen, aber auch die Königin war diesen Sommer wieder mit an Bord. Ansonsten führen die Amerikaner die Passagierliste an, gefolgt von Deutschen und Briten. Die Crew - auf maximal 227 Gäste kommen 106 Crewmitglieder - ist multikulti und stammt aus 15 Nationen. Viele betätigen sich an Bord als Allroundtalent. Da kann ein Steward abends schon mal als Sänger auftreten, und Monja, die das Ausflugsprogramm betreut, moderiert am Abend auch die Unterhaltung. Nach wenigen Tagen kennt eigentlich jeder jeden, man nickt sich zu und kommt ins Gespräch.
„Das Schiff tut gut, macht gesund“
Die familiäre Atmosphäre an Bord ist für viele Gäste ein Grund, immer wiederzukommen. Einige finden das eher handgestrickte Animationsprogramm dem Schiff jedoch nicht angemessen. Sie verziehen sich aufs oberste Deck - und werden ruhig. Kapitän Sergey hat es prophezeit: „Das Schiff tut gut, macht gesund.“ Kaum einer kann sich dem Zauber entziehen, wenn der Fünfmaster lautlos über die spiegelglatte See gleitet, sich die Segel im Wind straffen und darüber gestochen scharf Milchstraße, Großer Wagen und andere Sternenbilder zu sehen sind. Die Luft ist trotz Fahrtwind mild.
Weit weg glitzern am Ufer ein paar Lichter. Der Alltag ist mindestens ebenso weit entfernt. Auch tagsüber findet auf der „Royal Clipper“ jeder sein Lieblingsplätzchen. Für Abenteurer ist es das Krähennest am Fockmast - 18 Meter über der Wasserlinie. Andere fläzen sich am liebsten ins Klüvernetz, schauen der hübschen Galionsfigur in die Augen und erwischen den Moment, wenn sich am Bug Delfine tummeln. Solche Logenplätze gibt’s noch mehr - auf der Brücke etwa oder den beiden kleinen Balkönchen am Vorschiff.
Die Magie der drei Star-Clippers-Schiffe hat übrigens längst auch das Fernsehen entdeckt: Von 2004 bis 2006 lief im Ersten die Serie „Unter weißen Segeln“ mit TV-Größen wie Christine Neubauer und Horst Janson als Cruisedirektorin und Kapitän. Wer genauer hinschaute, konnte die feinen Details der Royal Clipper erkennen - ihr Teakdeck, die schöne Massivholzreling, die glänzenden Messingteile und -fassungen und vor allem das künstlerisch gestaltete dreistöckige offene Atrium über dem Speisesaal. Dort gibt es tagsüber Büfetts vom Feinsten, abends A-la-carte-Genüsse und freie Platzwahl. Schichtbetrieb bei den Mahlzeiten wie auf den großen Dampfern ist auf der „Royal Clipper“ undenkbar. Bei all dem Luxus, Genuss und Laisser-faire sind die Landausflüge fast Nebensache.
Mitmachen sollte man sie trotzdem. Allein schon deshalb, um die große Schöne, die „Royal Clipper“, mal von den Höhen Capris oder Taorminas aus zu bestaunen. Oder den spektakulär anmutenden Meeresarm vor Kotor in Montenegro, der den norwegischen Fjorden in nichts nachsteht. Die Reise endet - je nach Buchung - in einer der Perlen der Adria - Dubrovnik oder Venedig. Für viele Gäste bleibt sie ein einmaliges Erlebnis. Doch wer es sich leisten kann, kommt wieder. „Manche waren schon 20-mal bei uns, 60 Prozent sind Wiederholer“, sagt Anita. Und dann ist da noch Heidi aus Hannover. Für sie sind die Star Clippers zur zweiten Heimat geworden. Rund 175 Wochen war sie in den vergangen zehn Jahren an Bord.
So wird das Reisewetter in Europa
Das Flaggschiff
Die „Royal Clipper“ ist ein Fünfmast-Vollschiff (Volltakelung), im Jahr 2000 lief sie vom Stapel. Sie ist das Flaggschiff der Star-Clippers-Flotte, zu der auch die baugleichen Viermaster „Star Clipper“ und „Star Flyer“ gehören. Der Rumpf der „Royal“ ist 134 Meter lang. Sie wiegt rund 5000 Tonnen, allein die beiden Anker fünf Tonnen. Die Maschine hat 5000 PS. Die Reederei Star Clippers ist Ende 2012 in Neu-Delhi als weltbestes Unternehmen im Bereich Luxus-Segelkreuzfahrt sowie als weltbestes grünes Unternehmen ausgezeichnet worden.
Versorgung
Täglich werden auf der „Royal Clipper“ rund 100 Kubikmeter (100 000 Liter) Frischwasser verbraucht. Sie werden über eine Meerwasser-Aufbereitungsanlage erzeugt. Kapitän, Offiziere und das Management der „Royal Clipper“ sitzen mit im Speisesaal und sind jederzeit zu einer Auskunft bereit. Klassische Animation wie auf großen Kreuzfahrtschiffen gibt es auf der „Royal Clipper“ nicht, aber ein schönes Sonnendeck mit drei Pools. Von der Badeplattform am Heck aus kann man schwimmen, schnorcheln oder tauchen.
Routen
2014 neu im Programm der „Royal Clipper“ ist eine viertägige Schnupperkreuzfahrt von Rom über Elba, Sardinien und Korsika zurück nach Rom (ab 1205 Euro pro Person, alle Preise ab Hafen). Die „Star Flyer“ kreuzt 2014 erstmals vor Kuba (sieben Tage, ab 1810 Euro pro Person). Ihr Schwesterschiff „Star Clipper“ bricht erstmals zur 24-tägigen Spezialkreuzfahrt von Lissabon nach Istanbul auf (ab 6805 Euro).
Allgemeine Informationen
Buchungen und Infos über Star Clippers Kreuzfahrten unter Tel. 00 80 0 / 78 27 25 47, www.star-clippers.de
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