Bald drei Millionen Arbeitslose - Quo vadis, Arbeitsmarkt?

Die Arbeitslosigkeit steigt im Juli saisonbedingt an. Die Grenze von drei Millionen dürfte im August überschritten werden.
Michael Donhauser, dpa |
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Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Juli auf knapp drei Millionen gestiegen (Archivbild).
Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Juli auf knapp drei Millionen gestiegen (Archivbild). © Sebastian Kahnert/dpa
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Nürnberg

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland wird in wenigen Wochen die Schallmauer von drei Millionen durchbrechen. Nach 2,979 Millionen und einem saisonbedingt üblichen Anstieg im Juli halten Arbeitsmarktexperten dies für unausweichlich. Doch wo steuert der Arbeitsmarkt danach hin? Da gehen die Meinungen der Fachleute auseinander. 

Der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht die "Chance für eine Trendwende". Das Überschreiten der Drei-Millionen-Marke dürfte nur eine kurze Episode des Sommers 2025 darstellen, so seine Einschätzung vor wenigen Tagen. 

Die Vorstandschefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, zeigte sich bei der Vorstellung der Juli-Statistik am Donnerstag nicht ganz so optimistisch. Sie geht von einer signifikanten Erholung erst im Herbst 2026 aus. Zwar sei "die Talsohle des Pessimismus" wohl durchschritten, sagte sie in Nürnberg. Doch müssten die konjunkturstützenden Maßnahmen der Bundesregierung zunächst einmal Wirkung entfalten, ehe sie mit zeitlichem Nachlauf auf dem Arbeitsmarkt ankommen könnten. 

Plus 65.000 im Juli

Im Juli ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im Vergleich zum Vormonat um 65.000 auf 2,979 Millionen Menschen gestiegen. Das sind 171.000 mehr als im Juli 2024, teilte die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mit. Die Arbeitslosenquote stieg im Vergleich zum Juni um 0,1 Prozentpunkte auf 6,3 Prozent. 

Allein bei jungen Leuten bis 25 Jahre war im Juli ein Anstieg um mehr als 28.000 zu verzeichnen. Das liegt vor allem daran, dass in diesem Monat viele Ausbildungsverhältnisse enden und die jungen Menschen danach nicht immer gleich eine Anschlussbeschäftigung finden. 

Die Quote ist in den Stadtstaaten Bremen (11,8 Prozent) und Berlin (10,3) weiterhin am höchsten, in den südlichen Bundesländern Bayern (4,0) und Baden-Württemberg am niedrigsten. Für ihre Statistik zog die Bundesagentur Datenmaterial heran, das bis zum 14. Juli vorlag. 

Drei-Millionen-Grenze zuletzt 2015 überschritten

"Der Arbeitsmarkt steht weiter unter Druck. Der Sommer bringt keine Entspannung – dafür braucht es jetzt gezielte Impulse für Investitionen und Beschäftigung", sagte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Dass der Beschäftigungszuwachs im Vergleich zum Vorjahr allein auf ausländische Arbeitskräfte zurückgeht, wertete sie als Zeichen gelingender Integration. 

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zeigte sich besorgt und forderte ein Gegensteuern der Bundesregierung. "Fast drei Millionen Arbeitslose sind zu viel", sagte Vorstandsmitglied Anja Piel. Arbeitsagenturen und Jobcenter dürften nicht kaputtgespart werden. Nötig seien vielmehr durchfinanzierte Konzepte für Arbeitsmarktpolitik und Weiterbildung. 

Auch der Sozialverband Deutschland forderte, es dürfe keine weiteren Einsparungen, etwa beim Bürgergeld geben, dies führe nur zur Verunsicherung. "Das dürfen wir nicht sehenden Auges zulassen", sagte Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. 

Hoffnung auf mehr Jobs

Nahles betonte jedoch, die Jobcenter seien gut finanziert. Ziel sei es, eine stärkere Aktivierung von Arbeitslosen zu erreichen. Dies könne dann zu Einsparungen beim Bürgergeld führen. Wenn die Investitionspakete Wirkung zeigten, könne es zu einer Belebung kommen. "Dann kann diese Logik im Zweifel aufgehen." 

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger verlangte angesichts ernüchternder Zahlen eine Neuausrichtung am Arbeitsmarkt. "Fast drei Millionen Arbeitslose sind eine klare Botschaft: Wir brauchen einen Neustart in der Arbeitsmarktpolitik", betonte er. Die Politik der Ampel-Regierung mit einigen Schönheitskorrekturen weiterzuführen, reiche nicht aus.

"Vermittlung muss ganz oben auf der Agenda der Arbeitsmarktpolitik stehen", sagte Dulger. Die Arbeit der Bundesagentur für Arbeit und die zentralen arbeitsmarktpolitischen Instrumente müssten wieder konsequent auf dieses Ziel ausgerichtet werden.

Zahl der offenen Stellen sinkt weiter

Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen gab die Bundesagentur mit 628.000 an. Das sind 75.000 weniger als vor einem Jahr. Insgesamt erhielten im Juli 991.000 Menschen Arbeitslosengeld. 3,877 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter waren berechtigt, Bürgergeld zu erhalten. Darin sind auch Menschen enthalten, die Arbeit haben, deren Verdienst aber nicht zum Lebensunterhalt ausreicht. 

182.000 offene Lehrstellen

Auf dem Ausbildungsmarkt haben sich seit Oktober vergangenen Jahres 414.000 junge Leute bei den Arbeitsagenturen um eine Ausbildungsstelle bemüht, 12.000 mehr als im Jahr zuvor. 140.000 von ihnen waren im Juli noch unversorgt. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze lag im Juli bei 466.000 und damit um 26.000 unter dem Vorjahr. 182.000 unbesetzte Lehrstellen waren im Juli noch zu vermitteln. Nahles forderte die jungen Leute auf, diese Chance zu nutzen. "Ich bedauere es sehr, wenn Jugendliche auf eine Ausbildung verzichten", sagte sie. Die Verdienstmöglichkeiten seien mit Berufsausbildung langfristig viel besser und die Beschäftigungschance sei stabiler.

Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

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