Verkehrsminister kündigt Bahn-Strategie bis Spätsommer an

Marodes Schienennetz, verspätete Fernzüge, verärgerte Fahrgäste: Der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) will bis zum Spätsommer eine Strategie erarbeiten, wie es bei der kriselnden Deutschen Bahn weitergehen soll. "Der Ausgangspunkt ist, dass wir uns genau anschauen müssen: Wo soll die Bahn in ein paar Jahren stehen? Wie kommen wir dahin, dass wir die Ziele umsetzen, die wir der Bahn und uns selbst geben?", sagte Schnieder der Deutschen Presse-Agentur.
"Wir wollen eine Strategie erarbeiten. Die werden wir bis Spätsommer bei mir im Haus spätestens vorliegen haben. Dann werden wir dort Eckpunkte formuliert haben, wie nach unseren Vorstellungen die Bahn aufgestellt sein soll." Erst danach will sich Schnieder mit Personalfragen beschäftigen, etwa damit, ob und wie es für Bahnchef Richard Lutz weitergehen soll.
Schnieder: Trainer austauschen halte ich für verkürzt
Schließlich heißt es im Koalitionsvertrag, dass angesichts der Misere bei der Bahn auch der Vorstand und der Aufsichtsrat des Unternehmens neu aufgestellt werden sollen, "mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen".
Doch von kurzfristigen personellen Änderungen an der Unternehmensspitze hält Schnieder nichts. "Der Trainer ist weg und alles wird gut - das halte ich für verkürzt", betonte er. "Das Ziel ist, dass wir eine funktionsfähige, gut aufgestellte Bahn haben. Dazu zählt viel, viel mehr als simple Personalfragen."
Pünktlich, zuverlässig und sauber müsse die Bahn werden. "Sie braucht eine vernünftige Infrastruktur. Sie soll wirtschaftlich agieren. Vielleicht muss sie auch noch familienfreundlicher werden", sagte der neue Verkehrsminister. "Das sind die Dinge, die wir uns anschauen, die wir definieren. Und dann schaut man, welchen Weg beschreiten wir dahin. Mit dem Zustand wie im Moment kann niemand richtig zufrieden sein."
Bahn weder zuverlässig noch pünktlich
Die Bahn sei weder zuverlässig noch pünktlich, sagte der Minister. Im vergangenen Jahr waren die Fernzüge der Bahn so unpünktlich unterwegs wie noch nie seit der Bahnreform. Für dieses Jahr will der Konzern erreichen, dass immerhin 65 bis 70 Prozent der ICE- und IC-Züge ohne größere Verzögerungen ankommen. Dafür müsste es in den verbleibenden Monaten deutlich besser laufen als zuletzt.
Die Probleme liegen vor allem in der maroden Infrastruktur. Sie gilt als überlastet und überaltert. Mit der umfassenden Sanierung von mehr als 40 vielbefahrenen Strecken will die Bahn in den nächsten Jahren zuverlässiger werden. Doch die CDU ist seit jeher skeptisch, was das Vorhaben angeht.
Generalsanierungen auf dem Prüfstand
Schnieder betonte zwar, an dem Konzept der sogenannten Generalsanierungen grundsätzlich festhalten zu wollen. "Wir haben auch im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir das tun, aber dass wir uns vorbehalten, noch mal genauer hinzuschauen." Das betreffe auch die Strecke Hamburg-Berlin, die ab August für rund neun Monate voll gesperrt und modernisiert werden soll.
"Das ist ja auch ein Dialog mit vielen, die davon betroffen sind, bei dem Sie sich anschauen, ist das mit dem Schienenersatzverkehr in Ordnung so, müssen andere Baustellen im Umfeld so sein? Das ist immer ein Arbeiten an den Einzelheiten und Details", sagte Schnieder.
Angesichts des mangelhaften Zustands der Infrastruktur seien sich alle einig, dass das Netz schnell saniert werden müsse. "Dennoch muss man schauen: Was ist zumutbar? Muss ich in einem Jahr neun Hochleistungskorridore parallel machen? Da geht es nicht darum, das auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben. Aber man muss gucken, ob man nicht hier und da eine Belastung rausnehmen oder etwas nach hinten schieben sollte."
Die Bahn hat bereits einen Plan erarbeitet, mit dem die Sanierungen zeitlich gestreckt würden. Die letzte Strecke würde damit erst Mitte der 30er Jahre fertig werden statt wie bisher geplant 2031.
Zustand der Bahn steht für Stimmung im Land
Der Zustand der Bahn sei auch ein Symbol für eine gewisse Stimmung im Land, betonte der Minister. "Die Menschen haben den Eindruck, dass eben nicht mehr alles so funktioniert, wie es funktionieren soll." Deutschland habe stets als zuverlässig gegolten, auch und gerade im Ausland. "Und wir stellen fest, dass das nicht mehr so ist. Und das nehmen wir dann nicht nur als Mangel in dem System wahr, sondern sehen es für das Ganze." Deshalb sei es wichtig, hier grundlegend zu handeln und es besser zu machen.
Schließlich gebe es insbesondere im Schienenverkehr viel Potenzial. "Das zeigt doch die Ankündigung von Flixtrain, die viele neue Züge für Milliardensummen anschaffen und den Großteil davon in Deutschland einsetzen wollen." Der Bahnwettbewerber hatte Ende Mai mitgeteilt, beim spanischen Hersteller Talgo bis zu 65 neue Fernzüge kaufen zu wollen. "Das kann man doch nur tun, wenn man glaubt, dass das hier funktionieren kann", sagte Schnieder. "Insofern: Das Potenzial ist da und ich glaube auch, dass das gelingen wird."