Trinkgeld in bar geben? Worauf Kunden achten sollten

Wie viel Kunden freiwillig draufzahlen, unterscheidet sich nach Branche. Wo welche Summen beim Trinkgeld üblich sind – und ob es nur in bar wirklich bei der Servicekraft ankommt. 
von  Maximilian Neumair
Eine Bedienung serviert in einem Restaurant in Hinterzarten Teller mit Schnitzeln. Für guten Service zehn Prozent draufzuzahlen, gilt in der Branche als üblich.
Eine Bedienung serviert in einem Restaurant in Hinterzarten Teller mit Schnitzeln. Für guten Service zehn Prozent draufzuzahlen, gilt in der Branche als üblich. © Patrick Seeger

Zwei Getränke, zwei Hauptspeisen und ein geteiltes Dessert stehen auf der Rechnung. Der Preis: 47,60 Euro. Wie viel Trinkgeld würden Sie geben? 2,40 Euro? 4,80 Euro? 7,40 Euro? Oder eine ganz andere Summe? Die Spanne geht bei dieser Frage stellenweise weit auseinander und unterscheidet sich auch je nach Branche. Die AZ hat zusammengetragen, wie viel Trinkgeld jeweils üblich ist – und wie viel man geben sollte.

Wenn es um Trinkgeld geht, haben die meisten sicher eine Branche im Kopf: die Gastronomie. Die hier geltende Daumenregel, die die meisten kennen dürften: Zehn Prozent der Rechnungshöhe werden als Trinkgeld gegeben. Das geht an die Servicekraft, mit der man zu tun hat. Aber: "In vielen Betrieben ist es üblich und so vereinbart, dass das Trinkgeld dann im Team aufgeteilt wird. Letztendlich wäre die Küche nichts ohne den Service und umgekehrt der Service nichts ohne die Küche", teilt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Bayern auf Nachfrage der AZ mit.

Ein Drittel der Münchner gibt Trinkgeld

Speis und Trank bringt aber nicht nur die Bedienung in Restaurants: Auch bei Essenslieferanten ist es üblich, ein Trinkgeld zu bezahlen. Nach einer Bestellung können Kunden in der App verschiedene Trinkgeldhöhen auswählen, die sich an der Rechnung orientieren – üblich sind fünf, zehn und 15 Prozent. In der Praxis werden auf dem digitalen Weg typischerweise zwei Euro Trinkgeld gegeben, wie Lieferando, Deutschlands größter Lieferdienst, auf AZ-Anfrage mitteilt.

Ein Fahrer für den Essenslieferdienst Lieferando fährt über eine Straße. In München wird im bayernweiten Vergleich unterdurchschnittlich Trinkgeld gegeben.
Ein Fahrer für den Essenslieferdienst Lieferando fährt über eine Straße. In München wird im bayernweiten Vergleich unterdurchschnittlich Trinkgeld gegeben. © Sebastian Gollnow

Für 2024 kann das Unternehmen sogar eine Aufschlüsselung nach Region nennen: Bayernweit wurden im Schnitt 2,65 Euro gezahlt. München liegt mit 2,62 Euro im Schnitt knapp darunter, Augsburg ist mit 2,48 Euro etwas weiter weg. Laut Lieferando zahlen die Menschen auf dem Land und in kleineren Städten mehr Trinkgeld.

Der Lieferdienst Wolt gibt auf AZ-Anfrage an, dass in München rund ein Drittel aller Kunden ein Trinkgeld gibt, das im Schnitt bei 1,80 Euro pro Lieferung liegt. Nur Hamburg ist demnach im deutschlandweiten Vergleich großzügiger.

Keine Zehn-Prozent-Regelung bei Friseuren und Handwerkern

Die Zehn-Prozent-Trinkgeld-Regel ist auch beim Taxifahren üblich, bestätigt der Landesverband Bayerischer Taxi und Mietwagen Unternehmen auf AZ-Anfrage. Mal gebe es Ausreißer nach oben, wie etwa auf der Wiesn, wenn auch mal 20 Euro obendrauf gegeben werden. Und mal Ausreißer nach unten, wenn auf den Cent genau bezahlt werde.

Ein Trinkgeld ist auch bei Friseuren üblich – wenngleich es keine Daumenregel wie im Gastrobereich gibt, wie der Landesinnungsverband Friseure und Kosmetiker Bayern auf AZ-Anfrage mitteilt. "Die meisten runden im unteren Bereich auf", heißt es. Zwischen 50 Cent und einem Euro sei als Trinkgeld üblich. Manche würden aber durchaus auch zehn Prozent auf die Kosten oben draufschlagen oder pauschal einen Fünfer oder Zehner geben. Besonders bei Azubis stellt der Verband Großzügigkeit fest.

Bei Friseuren bekommen besonders die Azubis viel Trinkgeld, teilt der Landungsinnungsverband Friseure und Kosmetiker Bayern mit.
Bei Friseuren bekommen besonders die Azubis viel Trinkgeld, teilt der Landungsinnungsverband Friseure und Kosmetiker Bayern mit. © Simon Kremer

Ähnlich regellos ist die Trinkgeldkultur bei Handwerker-Dienstleistungen, teilt die Handwerkskammer für München und Oberbayern der AZ mit. Orientierung für die Trinkgeldhöhe gibt demnach die Art und der Zeitpunkt der Leistung. Wenn etwa das Dach eine Woche lang neu gedämmt wurde oder im Winter die Heizung ausfällt und ein Handwerker am Wochenende zur Reparatur vorbeikommt, "kann man sich durchaus mit einem Trinkgeld erkenntlich zeigen und ihm etwas zustecken".

In gehobenen Hotels wird laut Dehoga Bayern für gewöhnlich dem Zimmerservice ein Trinkgeld gezahlt: zwischen zwei und fünf Euro pro Lieferung. Der für Hotels zuständige Verband teilt mit: "Bei der An- und Abreise sind zwei Euro Trinkgeld pro Gepäckstück üblich, und organisiert Ihnen der Hotel-Concierge Karten für die ausverkaufte Opernaufführung, sollte dies Ihnen schon zehn Euro extra wert sein."

Zufriedenheit bestimmt Trinkgeldhöhe

Wie viel Trinkgeld gegeben wird, hängt branchenübergreifend auch damit zusammen, wie zufrieden die Kunden mit der Dienstleistung sind – schließlich ist Trinkgeld keine Pflicht. Laut Lieferando sind bei der Essenslieferung wichtige Faktoren Pünktlichkeit, Freundlichkeit, Lieferungen in hochstöckige Wohnungen ohne Fahrstuhl und das Beachten von angegebenen Lieferhinweisen, wie etwa der Wunsch, dass angerufen werden solle, wenn das Essen da ist. Das bestätigt auch Wolt: "Unsere Daten zeigen, dass Kund:innen besonders dann großzügig sind, wenn sie mit der Lieferung und der Servicequalität zufrieden sind."

Ähnliches berichtet auch der Landesinnungsverband Friseure und Kosmetiker in Bayern: Besonders bei Leistungen, wo es auf Feingefühl ankommt, wie etwa einer Kopfmassage, schlage sich das beim Trinkgeld nieder.

Ist der Gast mit dem Service zufrieden, kann sich das positiv aufs Trinkgeld auswirken.
Ist der Gast mit dem Service zufrieden, kann sich das positiv aufs Trinkgeld auswirken. © IMAGO

Dehoga Bayern teilt dazu mit: "Für gute Leistung sollte es auch ein gutes Trinkgeld geben." Der Verband weist aber auch darauf hin: "Wenn Sie hingegen mit dem Essen oder dem Service nicht zufrieden waren, können und sollten Sie, ganz ohne Gefahr zu laufen, einen Fauxpas zu begehen, auf ein Trinkgeld verzichten."

Die Trinkgeldhöhe hängt neben der eigenen Zufriedenheit aber auch vom Geldbeutel ab. Der ist bei vielen wegen Inflation und der angespannten Wirtschaftslage schmaler geworden, was sich etwa bei Lieferando konkret in Zahlen ausdrückt: Von 2022 bis 2024 ist das Niveau von online gezahltem Trinkgeld von 2,40 auf 2,60 Euro leicht angestiegen und weitestgehend stabil geblieben. Im Sommer 2024 sank das online gezahlte Trinkgeld laut Lieferando von 2,62 auf 2,16 Euro und fällt weiterhin schwach in Cent-Schritten, liegt aktuell es bei 2,07 Euro im Schnitt.

Wolt beobachtet zumindest, dass das Trinkgeldverhalten konstanter geworden ist. Davon berichtet auch Dehoga Bayern: Im Gastro-Bereich ist die Trinkgeld-Kultur "relativ stabil" geblieben. Dasselbe gilt auch für Taxi-Fahrten, wie der bayerische Landesverband mitteilt.

Trinkgeld kommt auch digital an

Wenn man sich dazu entscheidet, Trinkgeld zu geben, dann muss das inzwischen nicht nur in bar erfolgen. Was gerade für jene praktisch ist, die selten noch mit Münzen und Scheinen zahlen und deshalb das passende Kleingeld nicht parat haben. Laut dem Landesinnungsverband Friseure und Kosmetiker in Bayern ist es inzwischen auch bei einigen Friseuren möglich, mit Karte zu zahlen – oder dem Friseurmitarbeiter per App direkt das Geld zu überweisen.

Ein Kellner eines Restaurants hält einen Geldbeutel in der Hand, während er in der anderen Hand Geld hält. Auch wenn digital gezahlt wird, kommt Trinkgeld laut Dehoga Bayern bei der Servicekraft an.
Ein Kellner eines Restaurants hält einen Geldbeutel in der Hand, während er in der anderen Hand Geld hält. Auch wenn digital gezahlt wird, kommt Trinkgeld laut Dehoga Bayern bei der Servicekraft an. © Felix Hörhager

Bei den Lieferdiensten ist die digitale Trinkgeldzahlung schon lange Usus. Sowohl Lieferando als auch Wolt versichern, dass das Trinkgeld auch dann zu 100 Prozent bei den Fahrern ankommt, wenn online bezahlt wurde. Sollte das Restaurant mit einem eigenen Fahrer liefern, überweist Lieferando die Trinkgeldsumme an das Restaurant zur Weitergabe an das Personal. Der Haken bei dieser Variante: In auf den Sozialen Medien geteilten Erfahrungsberichten von Fahrern ist mitunter die Rede davon, dass das Restaurant das Trinkgeld nicht immer weitergibt.

Dehoga Bayern versichert ebenfalls, dass das Trinkgeld bei Kartenzahlung beim Mitarbeiter ankommt. "Der Gastronom muss aus steuerrechtlichen Gründen das Trinkgeld klar vom Rechnungsbetrag 'Speis und Trank' trennen und separat verbuchen."

Trinkgeldhöhe: Deutschland liegt im Mittelfeld

Deutschland ist mit seiner Zehn-Prozent-Regel beim Trinkgeld im internationalen Vergleich im Mittelfeld. In Finnland, Norwegen und Dänemark ist Trinkgeld etwa eher unüblich. In Japan und China gilt es sogar als unhöflich. In Amerika wird hingegen deutlich mehr erwartet: In Mexiko sind es zwischen zehn und 15 Prozent, in Kanada 15 Prozent und in den USA sogar bis zu 20 Prozent. Gerade dort sind Service-Kräfte auf das Trinkgeld angewiesen. Es nicht zu zahlen, gilt als Affront. In Deutschland ist es hingegen ein steuerfreier Bonus – der je nach Branche und Stellung trotzdem ein für den Lebensunterhalt wichtiges Zubrot sein kann.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.