Sparen fürs Alter trotz Inflation: Darauf sollte man achten

Wer Vorsorge bereits betreibt oder jetzt plant, steht vor der Frage, wie viel am Ende davon übrig bleibt. Was aktuell noch hilft.
Martina Scheffler
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Die Möglichkeiten, Geld anzulegen, sind vielfältig - doch welche ist derzeit empfehlenswert?
Die Möglichkeiten, Geld anzulegen, sind vielfältig - doch welche ist derzeit empfehlenswert? © imago images/McPHOTO

München - Alles wird teurer - und was wird aus der Altersvorsorge? Die Inflation steigt anscheinend ungebremst, im April lag sie bei 7,4 Prozent, das ist der höchste Stand seit 1981. Das spüren Verbraucher aktuell beim Einkauf im Supermarkt.

"Die Inflation frisst nicht nur Vermögen, sondern auch Rentenansprüche auf"

Wer aber fürs Alter spart, für den könnte das böse Erwachen später kommen: wenn nämlich das mühsam Beiseitegelegte über die Jahre nicht an Wert gewonnen, sondern massiv verloren hat. Dabei hängen die Deutschen oft noch sehr an althergebrachten Anlagemethoden wie der Lebensversicherung oder gar dem Sparkonto. In diesen Zeiten ist das keine gute Idee, warnen Experten.

"Die Inflation frisst nicht nur Vermögen, sondern auch Rentenansprüche auf. Der Wohlstand von Millionen Rentnern ist ernsthaft in Gefahr", sagt Ulrich Müller, CEO der Ulrich Müller Wealth Academy aus Hamburg. Was sollten Verbraucher, die fürs Alter vorsorgen möchten, jetzt tun?

Finanzexperte David Tappe, Gründer und Vorstand der Tappe Consulting AG in Bielefeld, rät: "Ruhe bewahren und für Klarheit sorgen, sachlich den Status quo ermitteln" - man sollte also alle vorhandenen Verträge auf den Prüfstand stellen, Altersvorsorgeverträge, Geldanlagen, Tagesgeldguthaben und Girokonto sowie Versicherungen.

"Eigenes Vermögen und Ansprüche realistisch bewerten"

Tappe empfiehlt, sich die Wertentwicklung der letzten Jahre anzusehen. "Ging es nach oben oder unten, findet eine Rendite statt?" Dann sollte klar sein, welche Verträge nützlich sind und welche verzichtbar.

Ulrich Müller, CEO der Ulrich Müller Wealth Academy aus Hamburg.
Ulrich Müller, CEO der Ulrich Müller Wealth Academy aus Hamburg. © UM Strategy

Dabei sollte man darüber nachdenken, wie die eigenen Ansprüche aussehen, sagt Ulrich Müller der AZ: "Entscheidend kommt es darauf an, das vorhandene Vermögen und auch mögliche Rentenansprüche realistisch zu bewerten und sich zu fragen: Wie viel Rente brauche ich eigentlich im Alter und wie sieht meine Rentenlücke nach Inflation aus? Nur wer die Inflation berücksichtigt, kann dem Alter entspannt entgegenblicken."

Wer bereits vorgesorgt habe, "muss jetzt akut nichts tun, da die bisherigen Teuerungen bereits Fakten geschaffen haben", sagt Merten Larisch, Teamleiter Altersvorsorge-, Geldanlage- und Immobilienfinanzierungsberatung bei der Verbraucherzentrale Bayern, der AZ.

"In verzinsten Geldanlagen für die Altersvorsorge wie Bankguthaben, klassischen Renten- und Kapitalversicherungen oder Finanzprodukten mit Anleihen angelegte Summen wurden mit einem Ruck, innerhalb etwa eines knappen Jahres, eines erheblichen Stücks ihrer Kaufkraft beraubt."

"Der Aktienmarkt ist die weltweit am besten beaufsichtigte Anlageklasse"

Weitere Teuerungen, so Larisch, blieben abzuwarten. Die Entwicklung des Ukraine-Krieges, der Lieferkettenprobleme und der Pandemie spielten dabei eine Rolle. Es sei auch eine niedrigere "Neuinflation" möglich, dies könne aber niemand vorhersagen.

"Wichtiger ist zu verstehen, dass für die Geldanlage schon immer galt und auch weiterhin gelten wird: Mit verzinsten Geldanlagen - einlagengesicherte Bank-, Bauspar- und Versicherungsguthaben und alles, was mit Anleihen zu tun hat, also auch Renten- und teilweise Mischfonds - , war und ist langfristig allenfalls in wenigen Zeitabschnitten eine höhere Realrendite als die Teuerungsrate erzielbar."

Besser breit streuen, als einzelne Aktien herauspicken 

Larischs Bewertung: "Eigentlich erleidet man mit diesen 'Geldwerte'-Anlagen langfristig immer einen Kaufkraftverlust. Renditen oberhalb der Teuerungsrate sind langfristig nur durch Beteiligung an unternehmerischen Gewinnen möglich. Und da ist weltweit die am besten beaufsichtigte Anlageklasse der Aktienmarkt."

David Tappe, Gründer und Vorstand der Tappe Consulting AG in Bielefeld.
David Tappe, Gründer und Vorstand der Tappe Consulting AG in Bielefeld. © picture alliance/dpa/TAPPE CONSULTING AG

Das sieht auch Tappe so: "Aktien sind die Lösung und der sicherste Ausweg aus dem Inflationsdilemma." Schon immer seien Aktien die attraktivs-
te Renditequelle gewesen, sagt Tappe der AZ, und sie sollten einen hohen Anteil an der Altersvorsorge haben. Sein Rat: besser breit streuen, als einzelne Aktien herauspicken. Dabei sollte man auch die laufenden Kosten im Blick behalten.

Teuerung lässt sich auch zum eigenen Vorteil nutzen

Auch Müller rät zu Aktien: Sie kämen in der aktuellen Lage ebenso wie Immobilien ins Spiel. "Diese steigen in Zeiten der Inflation oftmals ebenfalls stark im Wert. Das macht sie zum optimalen Begleiter im inflationären Umfeld." Müller warnt: "Ohne Aktien und Immobilien droht auch Eignern alter Versicherungsverträge die klaffende Rentenlücke."

Laut Tappe lässt sich die aktuelle Inflation aber auch positiv zum eigenen Vorteil nutzen, indem man sie zum Anlass nimmt, sich auch mit der privaten Kostensituation zu beschäftigen und zu überlegen, welche Ausgaben man vielleicht einsparen kann. Dieses Geld lässt sich für die Altersvorsorge aufwenden. Auch für oft als unangenehm empfundene Fragen lässt sich die aktuelle Lage nutzen. Man könne ebenso überlegen, beim Arbeitgeber eine Gehaltserhöhung anzusprechen, rät der Finanzexperte.

Drei Billionen Euro auf deutschen Girokonten und Sparbüchern

Sich selbst kümmern - das ist auch Müller zufolge eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Anlegen. "Die so ermittelte Rentenlücke gilt es mit dem geringstmöglichen Risiko zu schließen. Hier ist es wichtig, mögliche Wege zum Ziel bewerten zu können. Das beste Investment ist daher in Zeiten von Inflation und Marktturbulenzen die eigene Finanzbildung. Erst auf dieser Basis sollten reale Anlagen folgen."

Die Inflation sei ein "Wachrütteln", hofft auch Tappe, für Menschen, die sich bisher vor dem Thema "gedrückt" hätten. Immerhin lägen derzeit noch drei Billionen Euro auf deutschen Girokonten und Sparbüchern, "eine unglaubliche Zahl".

"Jedes Land in Europa kriegt das besser hin als Deutschland"

Das müsse die Gesellschaft als Ganzes besser angehen - "jedes Land in Europa kriegt das besser hin als Deutschland." Wer sich, weil er etwa schon mehrere Verträge hat, eine externe Expertise einholen wolle, der solle am besten einen auf Vertragsprüfungen spezialisierten Honoraranlageberater aufsuchen.

Auch Verbraucherschützer Larisch sieht die Lage als Weckruf: "Die jetzige Situation taugt allenfalls als Anlass für die akute Aktion, sich jetzt grundsätzlich Gedanken zu machen, was man für ein Anlegertyp - Risikobereitschaft und -tragfähigkeit - ist und wie dementsprechend auch die eigene Anlagestrategie aufgebaut sein sollte."

Wovor Larisch aber deutlich warnt: "Ganz abzuraten ist hinsichtlich der Inflation davon, Rentenversicherungen, Bausparverträge, Edelmetalle oder auch - ohne genauere Finanzplanung überhastet - eine überteuerte Immobilie zu kaufen."

 

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Gibt es zudem eine Altersgrenze, ab der das Nachdenken über Vorsorge nicht mehr lohnt? Nein, sagt Tappe. Dies hänge vom jeweiligen Vermögen ab. Wer gerade so über die Runden komme, brauche keinen Berater.

Es gebe aber sehr viele Erben in Deutschland. Da solle man schon bedenken, wie man das Geld steuerlich günstig verwende, so dass man selbst gut damit auskomme und vielleicht auch etwas davon an die nächste oder gar übernächste Generation übertragen könne. "Auch der 80-Jährige, der 300.000 Euro auf dem Girokonto hat, ist von Inflation betroffen."

Inflation: Begriff, Zahlen, Geschichte

Man sagt den Deutschen ein Inflationstrauma nach. Doch was verbirgt sich hinter dem derzeit inflationär gebrauchten Begriff? Inflation bedeutet laut der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Anstieg der Preise "von Waren und Dienstleistungen allgemein" und nicht nur von einzelnen Produkten. Berücksichtigt werden Waren des täglichen Bedarfs, Gebrauchsgüter wie Computer und Dienstleistungen wie der Friseurbesuch. Gibt es überall eine Teuerung, sinkt der Wert einer Währung mit der Zeit, so die EZB.

Deutschland erlebt derzeit die höchste Inflation seit der Wiedervereinigung - im April lag sie bei 7,4 Prozent, verglichen mit dem Vorjahresmonat. Gegenüber dem März dieses Jahres stiegen die Preise um 0,8 Prozent. Besonders stark fiel die Teuerung im Bereich der Lebensmittel aus. Das Statistische Bundesamt führt dies auf Folgen des Krieges in der Ukraine zurück, ebenso wie auf den rasanten Anstieg der Kosten für Energie.

Vor fast 100 Jahren erlebten die Deutschen die sogenannte Hyperinflation. Die Preise stiegen 1923 so rasch, dass Löhne teilweise täglich aus-gezahlt wurden, wie die Bundesbank erläutert. Milliarden für ein Brot waren keine Seltenheit. Dann wurde die Rentenmark eingeführt, und Schulden und Vermögen in Mark waren völlig entwertet. Die gesamten deutschen Kriegsschulden in Höhe von 154 Milliarden Mark beliefen sich am Tag der Einführung der Rentenmark auf gerade einmal 15,4 Pfennige.

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