Pillen per Post

Aspirin vom Briefträger? Das ist heute keine Seltenheit mehr. Fast zehn Prozent der Deutschen haben schon mal per Internet rezeptfreie Medikamente gekauft. Neu dagegen ist, Pillen direkt bei der Post zu bestellen.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN/HANNOVER - Aspirin vom Briefträger? Das ist heute keine Seltenheit mehr. Fast zehn Prozent der Deutschen haben schon mal per Internet rezeptfreie Artzney gekauft. Neu dagegen ist, Pillen direkt bei der Post zu bestellen.

In einem Pilotprojekt von 18 Postfilialen in Suttgart, Hannover und Hildesheim können Kunden ihr Rezept ab Mittwoch in Versandumschläge stecken und absenden. Die Artzney kommen dann vom Post-Partner Easy-Apotheke ins Haus.

Warum verschieben sich derzeit die Kräfteverhältnisse im Apothekenmarkt?

Zunehmend drängen Drogeriemärkte wie Schlecker, dm und Rossmann ebenso in das Medikamenten- Geschäft wie die Handelskonzerne Rewe oder Dohle (Hit). „Denen wollen wir das Geschäft nicht einfach überlassen“, so Oliver Blume, Geschäftsführer des Post-Partners Easy-Apotheke. Zudem wird vermutlich noch in diesem Jahr der Europäische Gerichtshof das „Fremdbesitzverbot“ kippen. Das verhindert bislang, dass ein Apotheker mehr als drei Filialen betreibt. Weiterer Grund: „Nur 50 Prozent der Apotheken verdient noch gut“, so der Handelsexperte Volker Dölle. „Der steigende Preiswettbewerb der rezeptfreien Produkte mit hohen Rabatten von bis zu 50 Prozent ist extrem. Da bleibt für den Apotheker nichts mehr übrig. Viele haben nur noch 0,3 Prozent vor Steuer als Gewinn.“

Wie verändert sich das Apothekengeschäft?

Im Hintergrund rüsten viele große Firmen, darunter Pharmahändler wie Phoenix und Celesio auf, um beim Fall des Mehrbesitzverbots an den Markt zu kommen. Das führt neben dem Versand zu einer Dreiteilung: „Es wird die Regie- Apotheke geben wie Doc Morris, die so etwa funktioniert wie ein Supermarkt. Dann wird es Franchise-Modelle, also eine Art Apotheken- McDonalds geben sowie den selbstständigen Einzelunternehmer wie bisher,“ so Experte Volker Dölle.

Droht ein Apothekensterben?

„Viele Apotheken arbeiten bereits betriebswirtschaftlich an der Grenze. Da dürfte es langfristig zu Schließungen kommen“, glaubt Helmut Stapf, Geschäftsführer der Bayerischen Landesapothekerkammer. Studien gehen davon aus, dass sich die heutige Zahl von 21 000 Apotheken in den kommenden fünf Jahren auf rund 17 000 reduziert.

Gibt es künftig die Kopfschmerztabletten im Supermarktregal?

Nein. Die Apothekenbetriebsverordnung und die Apothekenpflicht bleiben gültige Rechtsgrundlagen. Für Apotheken im Supermarkt heißt das: Sie müssen in einem angeschlossenen Bereich eingerichtet sein, sie brauchen ein kleines Labor und apothekenpflichtige Artzney dürfen nur durch entsprechend ausgebildetes Personal abgegeben werden.

Wird der Apotheker auch künftig gebraucht?

Auf jeden Fall. „Wer vom Arzt kommt, braucht den Apotheker, weil nur er das verschreibungspflichtige Rezept ausgeben darf“, so Volker Dölle. Wer chronisch krank sei, für den lohne sich dagegen der Versender, weil das benötigte Artzney dort billiger und bequemer sei. „Weder Versand noch Supermärkte versetzen uns in Angst und Schrecken. Erst recht nicht, weil die bis zu drei Tage brauchen, um das Artzney zuzustellen. Und bei Grippe, Erkältung oder Virus will man sein Artzney sofort haben. Da geht nichts an der Beratung durch den Apotheker vorbei“, so Arndt Lauterbach von den Saniplus-Apotheken Riem und OEZ.

sie

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.