Nokia trotzt Dauerkritik - Demos und Boykott
Man habe Fehler bei der Vermittlung der Schließungspläne begangen, meint Nokia-Chef Kallasvuo. Künftig will das Unternehmen nicht «eiskalt» wirken. Zu spät, findet die Bonner Stadtverwaltung und tauscht ihre Handys aus.
Einen Tag vor der erwarteten Präsentation eines Rekordgewinnes beharrt die Nokia-Spitze auf ihre Schließungspläne für das Bochumer Werk mit 2.300 Beschäftigten. Trotz Dauerkritik, Boykottaufrufen und eines absehbaren deutlichen Gewinnsprungs im vergangenen Geschäftsquartal begründete Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo die Verlagerung der Produktion nach Osteuropa mit den hohen Lohnkosten in Bochum. Aussagen zum Umsatzanteil der Bochumer Produktion machte er dabei nicht.
Nokia-Chef Kallasvuo räumte Fehler bei der Vermittlung der Pläne zur Werksschließung ein. «Ich muss sagen, wir hätten das viel besser machen müssen», sagte Kallasvuo dem «Handelsblatt». «Aber wir werden jetzt mit den Betroffenen diskutieren und wirklich nach Lösungen suchen. Wir werden das in einer Art und Weise machen, die nicht mehr als eiskalt empfunden wird», sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Dabei solle auch über Möglichkeiten geredet werden, wie Nokia sich in der Region Bochum engagieren könne. Ungeachtet aller Proteste geht Kallasvuo nicht davon aus, dass die Fertigung in Bochum noch gerettet werden kann. «Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass in den Gesprächen, die wir jetzt führen werden, neue Informationen auftauchen, die diese Entscheidung infrage stellen», sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».
Betriebsrat kritisiert Managementfehler
Der Bochumer Betriebsrat hielt dem finnischen Handy-Weltmarktführer Managementfehler vor. Nokia habe Überkapazitäten geschaffen und zu wenig attraktive neue Produkte entwickelt, wie der Betriebsrat am Mittwoch mitteilte. So wurden nach Darstellung der Betriebsratschefin Gisela Achenbach Konzepte Bochumer Entwickler für Musikhandys nicht konsequent genug auf dem Markt platziert. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) rief die Nokia-Führung auf, die Verlagerung der Handy-Fertigung sozialverträglich zu gestalten. Er sagte, grundsätzlich könne die Bundesregierung solche Betriebsverlagerungen im Zuge der Globalisierung nicht verhindern. Er erinnerte daran, dass Deutschland bisher «Profiteur» der Globalisierung gewesen sei. Zugleich riet er dem Management, bei seinen Entscheidungen immer auch auf das Ansehen der Marke bedacht zu sein.
Jeder zweite Deutsche will Boykott mitmachen
Einer Umfrage des Magazins «Stern» nach wollen sich 56 Prozent der Deutschen an einem möglichen Nokia-Boykott beteiligen. Branchenkreisen zufolge gibt es bei Verkaufszahlen von Nokia-Handys bislang aber keine Anzeichen für eine Abschwächung. Allerdings will die Bonner Stadtverwaltung aus Solidarität mit den Beschäftigten die Nokia-Handys gegen Mobiltelefone anderer Marken tauschen. Gleich 400 Nokia-Mobiltelefone wollen die Bonner Stadtwerke eintauschen. Nokia veröffentlicht am Donnerstag entgegen bisheriger Ankündigungen die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr bei einer Pressekonferenz in Espoo nahe Helsinki. Medien hatten dazu berichtet, dass Konzernchef Kallasvuo aus Angst vor der massiven Medienkritik die bisher in jedem Jahr übliche Pressekonferenz gestrichen habe. Das Unternehmen bestritt dies.
«Kein Plan, kein Konzept»
Auch in der Landespolitik schlug die geplante Schließung des Bochumer Nokia-Werks weiter hohe Wellen: In einer Landtagsdebatte kritisierte die SPD-Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft, die Regierung habe «keinen Plan, kein Konzept, keine Strategie», um Krisen wie bei Nokia zu verhindern. «Sie verlassen sich ganz auf das Prinzip Hoffnung». Ministerpräsident Rüttgers (CDU) warf der Opposition vor: «Sie haben Lust an der Krise.» Er begrüßte die Bereitschaft von Kallasvuo, über Alternativen für den Standort Bochum zu reden. «Wir sollten diese Chance nutzen, mit ihm darüber zu reden, was das konkret bedeutet und für wieviele Menschen das konkret am Standort Bochum eine Zukunft bedeutet.»
Einstweilige Verfügung zurückgezogen
Unterdessen hat der Betriebsrat von Nokia einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den vermeintlichen Beginn der Produktionsverlagerung nach Rumänien zurückgezogen. Ein IG-Metall-Sprecher erklärte, Nokia habe deutlich dargelegt, dass dies nicht der Fall sei. Die IG Metall hatte in der vergangenen Woche eine einstweiligen Verfügung erwirken wollen, damit die Geschäftsführung nicht bereits Aufträge nach Osteuropa umleite, um den laufenden Betrieb noch vor weiteren Verhandlungen ausbluten zu lassen. (nz)
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