"Mir blutet das Herz": Das Dilemma der Hebammen

Protestaktionen in vielen Städten: Ein Berufsstand fürchtet um seine Existenz
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Viele Eltern sind auch zur Demo vor der Münchner Uni kommen, um ihre Solidarität mit den Hebammen zu zeigen.
Viele Eltern sind auch zur Demo vor der Münchner Uni kommen, um ihre Solidarität mit den Hebammen zu zeigen.

Protestaktionen in vielen Städten: Ein Berufsstand fürchtet um seine Existenz

München - Viele Mütter vertrauen auf Hebammen: Doch denen wird finanziell gerade derart die Kehle abgeschnürt, dass immer mehr Freiberuflerinnen aufgeben müssen. Deswegen sind sie am Wochenende in vielen deutschen Städten auf die Straße gegangen. Auch in München gab es eine Demo auf dem Geschwister-Scholl-Platz vor der Uni: Neben Hebammen kamen auch zahlreiche Eltern, um ihr Anliegen zu unterstützen.

Für Lena Ehlebracht kommt eigentlich kein anderer Beruf als Hebamme in Frage: „Es ist für mich eine Berufung, eine Herzensangelegenheit.“ Trotzdem überlegt sie in letzter Zeit immer öfter, die Branche zu wechseln. „Beim Gedanken daran blutet mir das Herz.“ Aber die Lage verschlechtere sich immer mehr.

Hintergrund sind die immens wachsenden Kosten für ihre spezielle Haftpflicht-Versicherung. Vor zehn Jahren zahlten Hebammen 453 Euro im Jahr für die Versicherung. Jetzt sind es 4400 Euro, ab Juli dann 5090 Euro. Und nächstes Jahr wird es noch schlimmer, weil der bisher größte Anbieter, die Nürnberger Versicherung, ganz aus diesem Geschäft aussteigt. Dann fürchten viele um die Existenz.

5090 Euro Prämie, das ist so viel, wie sie brutto für zehn Geburten bekommt – von insgesamt 18 Geburten pro Jahr, rechnet Ehlebracht vor. Mit zahlreichen zusätzlichen Kursen zu Geburtsvorbereitung und Nachsorge kommt sie aktuell gerade so über die Runden, weil sie keine Kinder hat und in einem billigen WG-Zimmer lebt. Aber noch eine Steigerung der Versicherungskosten kann sie nicht verkraften.

"Zusammenbruch der Geburtshilfe"

Viele andere sind schon ausgestiegen. Das macht es für Mütter immer schwerer, eine Hebamme zu finden. „Die Suche hat mich viele Nerven und Tränen gekostet“, sagt Cerstin Jütte von der Elterninitiative „Happy Birthday“. Am liebsten wäre es ihr gewesen, die selbe Ansprechpartnerin für Schwangerschaft, Geburt und Nachsorge zu haben. Geklappt hat es nicht.

Vor allem in Bayern sind die meisten Geburtshelferinnen – über 80 Prozent – Freiberuflerinnen. „In den ländlichen Regionen Süddeutschlands ist die Lage noch schlimmer als in den Städten. Gerade in Bayern sind weite Landstriche ausschließlich durch freiberufliche Hebammen sowohl in den Kliniken wie außerklinisch versorgt. Da droht ein Zusammenbruch der Geburtshilfe und der Versorgung der Schwangeren“, so Ruth Pinno, Vorsitzende des Berufsverbandes. Zwar kämen 97 Prozent der Kinder im Krankenhaus zur Welt, doch in vielen kleinen Kliniken seien die Hebammen nicht festangestellt.

Viele verzichten deswegen auf die eigentliche Geburtshilfe und bieten nur noch Vor- und Nachsorge an: Das reduziert die Versicherungsprämien auf ein Zehntel. „Sonst ist die Haftpflicht nicht mehr tragbar. Niemand kann für einen Stundenlohn von 1,50 Euro arbeiten“, sagt die Nürnberger Hebamme Petra Lieser. Aber so wird die Lücke immer größer. Lieser: „Und nächstes Jahr wird es dramatisch.“ Entsprechend wächst der Druck auf die Politik – auch mit den Demos vom Wochenende. Der neue Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) hat angekündigt, sich etwas zu überlegen. Passiert ist bisher nichts.

 

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