Lächerlich
Der Vize-Chefredakteur der AZ, Georg Thanscheidt, über die Steuerbeschlüsse der Koalition.
Seit zwei Jahren nervt die FDP mit Steuersenkungs-Parolen, vor drei Wochen ist auch die CSU dem „Abgaben-runter“-Chor beigetreten – nun haben die beiden Junior-Partner in der Berliner Koalition einen wirklich bahnbrechenden – Vorsicht, Ironie! – Erfolg errungen: Gegen den Widerstand von CDU-Finanzminister Schäuble wird der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 auf 1000 Euro erhöht.
Jeder der 30 Millionen abhängig Beschäftigten hat so ein Plus von bis zu 3,22 Euro imMonat. Und das Tollste – Vorsicht, nochmal Ironie: Diese Steuerersparnis wird auch noch im Dezember auf einen Schlag ausgezahlt! Das wird Schwarz-Gelb die Wähler bei den anstehenden Landtagswahlen in Scharen zutreiben. Im Ernst: Natürlich ist (fast) alles sinnvoll, was die Binnennachfrage antreibt. Von den insgesamt 330 Millionen Euro Steuererleichterung wird sicher ein Teil beim Einzelhandel, bei der Gastronomie oder der Versicherungswirtschaft landen. So weit, so zufrieden stellend.
Aber wegen 3,22 Euro im Monat einen Koalitionskrach zu inszenieren und den Finanzminister zu beschädigen, ist wirklich lächerlich. Und das nicht nur, weil Schäuble eigentlich gerade Wichtigeres zu tun hat. Sondern vor allem, weil die Koalition andere steuerpolitischen Probleme gar nicht angeht: Die Subventionen sind auf einem Höchststand – hier ließen sich 58 Milliarden im Jahr sparen. Und an das überholte, frauenfeindliche Ehegattensplitting traut sich die Koalition auch nicht ran – hier ließen sich nochmal 20 Milliarden jährlich heben.