Krisen? Wiesn!
"Die Millionen und Milliarden fliegen uns nur so um die Ohren": Arno Makowsky, der AZ-Chefredakteur, über Lebensfreude in bedrohlichen Zeiten.
Kennen Sie das Gefühl? Um einen herum bricht die Welt zusammen, aber der Alltag bleibt davon seltsam unberührt. Die Zeitungen und Nachrichtensendungen im Fernsehen berichten von der internationalen Finanzkrise, als gebe es kein anderes Thema. Stimmt ja auch – politisch und global gesehen. Doch wer sein Geld nicht in Aktien angelegt hat, muss persönlich keine Katastrophen befürchten. Der Münchner als solcher konzentriert sich deshalb lieber auf jenes Ereignis, das in der gegenwärtigen Lage für Zerstreuung und Lebensfreude sorgt: die Wiesn.
Natürlich Freude wir uns alle auf den Anstich; die Frage, wie viele Schläge der Oberbürgermeister diesmal braucht, ist ein lustiges Gesellschaftsspiel. Und doch bleibt das merkwürdige Gefühl: Es gibt eine Parallelwelt, in der Banken zusammenbrechen und Aktienkurse in den Keller rauschen, in der die nackte Angst vor der Krise herrscht. Hier kämpft ein Versicherungsriese ums Überleben, dort kommt die Regierung mit einem monströsen Notfallkredit zur Hilfe. Die Millionen und Milliarden fliegen uns nur so um die Ohren.Wie hängt das alles zusammen, was sind die Ursachen? Dass die Zusammenhänge so kompliziert, so unbegreiflich sind, steigert die Bedrohlichkeit.
Vielleicht ist es ganz gut, dass sich die Münchner ein bisschen ablenken können. Mit der Wiesn natürlich. Oder, wie die AZ, mit einem Umzug. 16 Tage ist in München jetzt Ausnahmezustand. Und danach schauen wir ganz gelassen, ob aus der weltweiten auch eine private Finanzkrise geworden ist.
Der Autor ist der Chefredakteur der AZ.
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