Konjunkturkrise hält an - Hoffnung für 2026

Sommerflaute statt Erholung: Die deutsche Wirtschaft findet keinen Weg aus ihrer Dauerkrise. Nach einem Minus im Frühjahr stagnierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal. Das Statistische Bundesamt errechnete anhand vorläufiger Daten ein Wachstum von null Prozent gemessen am Vorquartal.
Immerhin: Für das Jahresende sind die Aussichten besser, und der Arbeitsmarkt hält sich relativ robust. Im Oktober sank die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum September um 44.000 auf 2,911 Millionen Menschen, wenngleich die übliche Herbstbelebung schwach ausfiel.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche mahnt Reformen an: "Jetzt müssen wir die Sozialsysteme reformieren, Bürokratie spürbar zurückbauen, Lieferketten widerstandsfähiger machen, das Arbeitsangebot ausweiten und für tragfähige öffentliche Haushalte sorgen", fordert die CDU-Politikerin.
US-Zölle werden zur Bürde für den Export
Die deutsche Wirtschaft steckt in der längsten Krise seit Jahrzehnten und fällt auch im europäischen Vergleich zurück, während einstige Krisenländer wie Spanien und Portugal im dritten Quartal deutlich wuchsen. Laut Eurostat legte die Wirtschaft im Euroraum im Sommer zum Vorquartal um 0,2 Prozent zu.
Das Zinsniveau bleibt investitionsfreundlich: Die Europäische Zentralbank (EZB) belässt den für Sparer und Banken relevanten Einlagenzins bei 2,0 Prozent. Niedrigere Zinsen stützen die Wirtschaft, da Kredite für Unternehmen und Verbraucher damit tendenziell günstiger werden.
In Deutschland macht eine schwache Nachfrage in wichtigen Branchen wie Autobau und Chemie der Industrie zu schaffen, zudem bremsen US-Zölle den Export. Im Inland halten sich Verbraucher beim Konsum zurück - auch weil die Menschen etwa für Lebensmittel mehr zahlen müssen als vor der Corona-Pandemie. Bei der Teuerungsrate gab es im Oktober ersten Zahlen zufolge etwas Entspannung: Die Verbraucherpreise lagen um 2,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats - nach 2,4 Prozent Inflation im September.
Exporte "Made in Germany" leiden unter Zöllen
In den drei Monaten Juli bis einschließlich September nahmen nach Angaben der Wiesbadener Statistiker zwar die Investitionen von Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen und Fahrzeuge zu. Doch die Ausfuhren von Waren aus deutscher Produktion gingen zum Vorquartal zurück.
Die Zollpolitik der Regierung von US-Präsident Donald Trump ist eine Bürde für den Export. "Trotz des Zolldeals mit den USA kommt der Außenhandel nicht richtig in Gang und ist von den Zahlen aus dem Vorjahr weit entfernt", konstatiert DZ-Bank-Analyst Claus Niegsch.
Reformstau bremst deutsche Wirtschaft
Zwar sehen Ökonomen nach dem deutlichen Schrumpfen der Wirtschaft 2023 und 2024 Chancen für eine Stabilisierung. Doch auch wegen Schwächen des Standortes Deutschland gehe es mit der heimischen Wirtschaft nicht wirklich bergauf, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: "Erst im kommenden Jahr sollte das Fiskalpaket der Bundesregierung die Konjunktur anschieben, wobei das wegen der ausbleibenden Reformen nicht nachhaltig ist."
Strukturelle Schwächen wie hohe Energiepreisen und viel Bürokratie belasten die Unternehmen. Deutschland müsse "endlich wach werden" und "Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt der politischen Agenda" stellen, mahnte jüngst Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing.
Bundesregierung verspricht hohes Tempo bei Reformen
Mit einem "Wachstumsbooster" für verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und einem "Bauturbo" für schnellere Genehmigungen will die Bundesregierung die Konjunktur ankurbeln. Kanzler Friedrich Merz (CDU) stellte Anfang Oktober ein hohes Reformtempo in Aussicht. Im ZDF-"heute journal" sagte er: "Der Herbst der Reformen hat längst angefangen."
Doch in der Wirtschaft ist anfänglicher Optimismus der Ernüchterung gewichen - auch wegen Streitereien in der schwarz-roten Koalition. Die Zeit drängt: 84 Prozent der Unternehmen sehen die marode Infrastruktur als Belastung, wie eine Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 1.100 Firmen ergab. "Die Verkehrsinfrastruktur ist ein Bremsklotz für die deutsche Wirtschaft geworden", fasst IW-Experte Thomas Puls zusammen.
Höchstens Mini-Wachstum 2025 erwartet
Dennoch: 2025 könnte die deutsche Wirtschaft knapp am dritten Jahr ohne Wachstum vorbeischrammen. Führende Ökonomen und die Bundesregierung rechnen mit einem Mini-Plus um die 0,2 Prozent.
"Die Aussichten für das vierte Quartal sind besser: Die staatlichen Ausgaben dürften nun von Monat zu Monat kontinuierlich steigen, und die Unsicherheit in der globalen Handelspolitik dürfte allmählich abklingen", sagt der Deutschland-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Robin Winkler. "Die Unternehmensbefragungen im Oktober stimmen uns zuversichtlich, dass eine Konjunkturerholung nun endlich kurz bevorsteht."
Trendwende im nächsten Jahr?
2026 dürfte die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung von Ökonomen etwas kräftiger zulegen, nicht zuletzt wegen der geplanten Milliardenausgaben für Infrastruktur wie Straßen und Schienen sowie für Verteidigung. So rechnet die Bundesregierung mit einem Plus von 1,3 Prozent, der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet allerdings nur ein Wachstum von 0,9 Prozent.
Deutschlands führende Wirtschaftsforschungsinstitute warnten schon im September anlässlich der Vorlage ihrer Gemeinschaftsdiagnose: Die deutsche Wirtschaft stehe nach wie vor auf "wackeligen Beinen".