Ist Feiern pietätlos?
Wer auf die Wiesn geht, muss sein Gehirn nicht ausschalten – AZ-Chefredakteur Arno Makowsky über die Wiesn nach der Tat von Solln
Jetzt geht es also wieder los mit dem Anzapfen, dem Feiern, mit der Gaudi auf dem größten Volksfest der Welt. Die Stadt brummt, Touristen und Einheimische verkleiden sich in Dirndl und Lederhosen, die Zeitungen (auch die AZ) stecken voller fröhlicher Berichte und Fotos vom viel geliebten Oktoberfest.
Eine Woche, nachdem auf dem S-Bahnhof Solln ein Mann totgeschlagen wurde, rüstet sichMünchen für ein freudiges Großereignis. Reden wir nicht drum herum: Ganz wohl ist vielen Münchnern dabei nicht. Ein merkwürdiges Gefühl, plötzlich zur Tagesordnung überzugehen. Darf man das überhaupt, oder ist es pietätlos, sich jetzt über die Wiesn zu freuen?
Ist es nicht. Weil man ja nicht zur Tagesordnung übergehen muss. Ein Fest zu feiern, bedeutet nicht, dass man dabei sein Gehirn ausschalten muss. Es bedeutet nicht, dass man etwas verharmlost oder aus dem Bewusstsein ausblendet. Feste sind ein Teil der Kultur der Menschen, und dieses ganz besonders! Wer auf die Wiesn geht, muss sich dort nicht komplett betrinken. Er kann auch einfach nur ein paar Stunden unbeschwert sein, sich amüsieren, den Alltag mal nicht so wichtig nehmen.
Die Wiesn gehört zu dieser Stadt. Wir dürfen sie lieben, auch in schwierigen Zeiten.
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