Irrtum, Frau Merkel!

Umverteilung – von oben nach unten oder unten nach oben? - Georg Thanscheidt, der AZ-Vize-Chefredakteur, über das falsche Weltbild hinterm Sparpaket.

Es ist das größte Sparpaket, das je in der Geschichte der Bundesrepublik geschnürt wurde – und es wirft auch einige historische Fragen auf: Warum werden eigentlich, wenn die Mächtigen sparen, stets die Kleinen zur Kasse gebeten? Gekürzt wird bei den Empfängern staatlicher Leistungen, bei den Arbeitslosen, bei den Hartz-IV-Empfängern. Ungeschoren davon kommen die Banker, die Reichen, die Spekulanten. Das liegt an der Mechanik unserer Gesellschaft – und dem falschen Weltbild unserer konservativ- liberalen Regierung.

Deutschland ist ein Wohlfahrtsstaat. Das heißt, viel Geld wird umverteilt, um existientielle Risiken wie Krankheit oder Armut zu verringern. In den Augen von Union und FDP wird das Geld von oben nach unten verteilt – von den Unternehmern und Vermögenden, denen es de jure zusteht, zu den Arbeitslosen und Kranken, die bedürftig sind. Dies war eines der Erfolgsrezepte der Sozialen Marktwirtschaft.

Dies ändert aber nichts daran, dass faktisch eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet: Von den Arbeitenden und realen Leistungsträgern, denen das Geld gleich vom Lohnzettel abgezogen wird, hin zum Staat, zu den Banken, zu den Unternehmern. Das Ergebnis: Im internationalen Vergleich ist das Vermögen in Deutschland zwar noch relativ gleichmäßig verteilt, aber die Schere öffnet sich seit 20 Jahren enorm. Merkels Politik verschlimmert diese Spaltung der Gesellschaft – in der irrigen Annahme, dass nur wenn es den Reichen richtig gut gehe, es auch dem Land gut gehe.