Greenpeace kritisiert Schweinemast

"Die Tiere leiden": Greenpeace legt ein Gutachten vor, das die gängige Schweinemast für verfassungs- und tierschutzwidrig erklärt.
Natalie Kettinger |
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"Die Haltung muss den Bedürfnissen der Tiere angepasst werden - nicht die Tiere den Haltungsbedingungen", fordert Greenpeace.
Stefan Sauer/dpa "Die Haltung muss den Bedürfnissen der Tiere angepasst werden - nicht die Tiere den Haltungsbedingungen", fordert Greenpeace.

Ein neues Rechtsgutachten, das die Umweltschutz-Organisation Greenpeace in Auftrag gegeben hat, könnte die Schweinehaltung in Deutschland grundlegend verändern: Die gängige Praxis der Massentierhaltung verstößt demnach gegen das Tierschutzgesetz und ist verfassungswidrig.

Ein vergleichbares Experten-Papier revolutionierte 1999 die Haltung von Hühnern. Damals untersagte das Bundesverfassungsgericht in seinem "Legehennen-Urteil" die Unterbringung der Tiere in winzigen Drahtkäfigen.

"Die Nutztierverordnung setzt das Tierschutzgesetz nicht um", kritisiert Stephanie Töwe von Greenpeace. Das Gutachten der Hamburger Anwälte Davina Bruhn und Ulrich Wollenteit stützt sich dabei vor allem auf Paragraf 2 des Gesetzes. Dort heißt es: Ein Tier muss "seinen Bedürfnissen entsprechend" untergebracht werden, die "artgemäße Bewegung" dürfe nicht so eingeschränkt sein, "dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden".

Doch genau das sei bei der konventionellen Massentierhaltung der Fall, sagt Stephanie Töwe: "Die Tiere leiden." Deshalb widerspräche die gängige Praxis dem Gesetz und dem Staatsziel Tierschutz, das im Grundgesetz festgeschrieben ist. Einem 110 Kilo schweren Mastschwein stünden per Verordnung lediglich 0,75 Quadratmeter Platz zu.

"Die Tiere stehen eng zusammengepfercht auf harten Spaltenböden, was oft zu Verletzungen an den empfindlichen Klauen führt." Häufig sei der Stall stark mit Kot verdreckt und die Ammoniak-Konzentration in der Luft so hoch, dass die Tiere Augenentzündungen bekämen. Damit nicht genug: "Schweine sind eigentlich sieben bis acht Stunden pro Tag damit beschäftigt, im Boden nach Nahrung zu wühlen.

Können sie das nicht, führt das zu starken Verhaltensveränderungen", sagt Landwirtschaft-Expertin Töwe. "Vor lauter Langeweile beißen sich die Tiere gegenseitig in Ohren und Schwänze." Andere kauten stundenlang stumpf vor sich hin – ohne tatsächlich zu fressen.

Wieder andere säßen trauernd, mit hängendem Kopf wie ein Hund auf den Hinterbeinen. "Man darf nicht vergessen, dass Schweine sehr reinlich, sozial und intelligent sind", sagt Töwe. "Sie hören auf ihren Namen und erkennen sich selbst im Spiegel." Das Gutachten kritisiert noch weitere Aspekte: Das Schwänzekürzen sei nur in Einzelfällen zulässig. Das betäubungslose Kastrieren von Ferkeln – das 2019 abgeschafft werden soll – verstößt demnach gegen das Grundgesetz.

Das geplante freiwillige "Tierwohl"-Siegel von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) sei aussage- und wirkungslos, kritisieren die Naturschützer – und verweisen auf Schweden, die Schweiz und Österreich, wo der Staat in Ställen mehr Licht, Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten fördere. Stephanie Töwe: "Die Haltung muss den Bedürfnissen der Tiere angepasst werden – nicht die Tiere den Haltungsbedingungen."

Der Fleischverbrauch in Deutschland beträgt pro Kopf und Jahr fast 90 Kilogramm. Zieht man den Knochenanteil ab, verzehrt jeder Bürger in Deutschland in zwölf Monaten rund 60 Kilo Fleischprodukte – zu zwei Dritteln vom Schwein.

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