Gespaltenes Land
Wenigstens diesen Krach hätte sich Merkel sparen können. Der AZ-Politikchef Frank Müller über die Laufzeiten der Atomkraftwerke.
Energiepolitik sollte pragmatisch sein und keine Glaubensfrage. Von der Gen-Diagnostik bis zur Schwulen-Ehe gibt es genügend andere Themen, die sich hundertmal besser zur emotionalen Debatte eignen, als die nüchterne Frage: Woher soll unser Strom kommen?
Es war ein Fehler der schwarz-gelben Koalition, dass sie den mühsam mit der Industrie geknüpften Atomkonsens wieder aufdröselte. Wer dachte, die damals von Rot-Grün unter vielen Geburtswehen zuwege gebrachte Lösung sei das endgültige Schlusswort im deutschen Dauerstreit, der sah sich getäuscht: Seitdem Union und FDP regieren, geht es wieder los mit dem Krach um Laufzeiten und Restrisiken.
Wenigstens diese Baustelle hätte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel ersparen sollen. Dass sie es nicht tat, zeigt die Schwäche der einstigen Umweltministerin in ihrer Rolle als Koalitions-chefin.
Nun wird das Thema Atomenergie mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen also behandelt wie jedes andere schwarz-gelbe Dauerkrachthema auch. Gesichtswahrung geht vor Sachpolitik, Koalitionsarithmetik vor Vernunft. Während das Land eine unnötige Debatte führt, wie lange wir mit Atomstrom noch leben wollen, riskieren wir unsere internationale Führungsposition bei der Energie von morgen. Die nämlich wird nicht aus Kohle und Atom kommen, sondern aus Wasser und Sonne. Das hat Deutschland schon mal besser verstanden als heute.
Frank Müller
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