Die letzten Meter

AZ-Redakteurin Anja Timmermann über die Wahl zum Bundespräsidenten und die möglichen Folgen für die Koalition.

Augen zu und durch: Natürlich entscheidet sich am Mittwoch das Schicksal der Koalition, was auch immer gerade behauptet wird. Scheitert Wulff, ist die Regierung am Ende. Schafft er es, selbst erst im dritten Wahlgang, ist sie vorerst gerettet. Und so versuchen nun alle, die letzten Meter bis zur Ziellinie noch irgendwie zu überbrücken, notdürftig geflickt hier, eine quietschende Kehrtwende da.

Exemplarisch das wechselseitige Honig-ums-Maul-Geschmiere zwischen Wulff und der CSU. Sie hält ihn für ein Weichei, er sie für in der Zeit zurückgebliebene Provinzler, aber egal, ist ja Wahl. Exemplarisch auch die 180-Grad-Wende der FDP, um zu retten, was noch zu retten ist: Von Steuersenkungen zu Steuererhöhungen binnen Wochen.

Der Parteichef hatte gedacht, man könne es dem Volk automatisch als ehrenwerte Standhaftigkeit verkaufen, wenn man stur an etwas festhält. Jetzt lernt er auf die harte Tour, wie fatal es für eine Ein-Thema-Partei ist, wenn das eine Thema falsch ist. Dass sie nun nach langem Widerstand bereit ist, auch ihre Klientel am 80-Milliarden-Sparpaket zu beteiligen, ist gut; auch wenn es spät und unter Druck kommt. Noch besser wär’s, sie würde das Hoteliers-Geschenk auch gleich einkassieren.

Wie groß die Sorge vor dem Mittwoch ist, zeigt sich auch daran, dass Seehofer (ausgerechnet) seine Ministerin wegen zu harter Angriffe auf die FDP rüffelt. Wenn die Koalition dann wohl dennoch eine Runde weiterkommt, dann nicht aus eigener Kraft – sondern wegen der Borniertheit der Linken, die aus Feindbild-Pflege Gauck nicht mitwählen will.