Die einsame Chefin

Merkel hat nur noch eine Antwort: Weiter so, ihr habt ja mich. Der AZ-Politikchef Frank Müller über die Union nach von Beusts Rücktritt

Das böse Wort von der „Entmannung“ der CDU steht im Raum, es wird nicht so schnell wieder verschwinden. Nahezu jeder, den man kannte (und kennen wollte) in der CDU ist jetzt weg. Es bleibt Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Damenrunde von der Leyen, Schavan und, pardon, Pofalla. Und es bleibt ein ganzer Sprung neu einspringender Landesfürsten, deren Namen die Republik nun erst einmal lernen muss.

Die Beteuerungen der verbliebenen Unions-Granden, die Lage sei keineswegs dramatisch, erinnert an den berühmten Spruch der Titanic-Besatzung: „In diesen Breitengraden gibt es keine Eisberge.“ Doch, es gibt welche. Sie sind so groß und so nahe, dass man vielleicht einmal ein paar Schritte beiseite treten muss, um sie wahrzunehmen. Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Kraft noch: einmal den eigenen Laden von außen betrachten, den ganzen Kurs generell überdenken, die Mannschaft auf dem Boot kritisch zu durchleuchten?

Die Antwort, die auch in der Union viele fürchten, heißt: Nein. Die Antwort, die Bundeskanzlerin Angela Merkel noch geben kann, heißt: Weiter so, ihr habt ja mich. Das könnte eine Zeitlang gut gehen, wäre Bundeskanzlerin Angela Merkel eine emotionale Identifikationsfigur, deren Visionen man folgen kann. Doch die Gefühle, positive und negative, flogen in der Union stets anderen zu: Koch, von Beust, Rüttgers. Das waren die Schachfiguren, mit denen die Machttechnokratin Merkel zu spielen pflegte. Jetzt sind sie weg. Was bleibt? Eine einsame Chefin. Aber wie lange noch?

Frank Müller