Ab in den Schrank!
Dirndl und Lederhose – der Zeitgeist liebt sie auch nächstes Jahr: AZ-Chefredakteur Arno Makowsky über das vorläufige Ende der Trachten-Trends.
Der Zeitgeist ist schon ein seltsames Wesen. Er denkt sich etwas aus, setzt es den Menschen in den Kopf – und kurz darauf findet er es langweilig und out. Dann hat er schon eine neue Idee. In den letzten zwei Wochen trug der Zeitgeist Dirndl und Lederhose. Das stand ihm sehr gut, auch der silber-braune Deppenhut in Bierfass-Form passte toll zu seinem blassen Teint. Heute morgen hat er das alles weggeworfen, leider. Die Wiesn ist vorbei, der Trachten- Spuk auch. Die Menschen, sogar die Münchner, laufen wieder in normalen Klamotten herum.
Mit der Liebe zur Tracht verhält es sich so ähnlich wie mit der Liebe zur Deutschlandfahne, die während der Fußball-WM jedes Auto und jeden Vorstadtbalkon schmückte. So wenig das Dirndl eine Hinwendung zur Tradition bedeutet, so wenig weisen die schwarz-rot-goldenen Fähnchen auf ein Nationalgefühl abseits des Fußballs hin. Beides ist Folklore, ein Spiel mit Mode und Symbolik, ein Karneval der Kultur. Die Resonanz in der Öffentlichkeit ist enorm. Um es kulturkritisch-verschwurbelt auszudrücken: Je inhaltsleerer Politik und Gesellschaft werden, umso bedeutungsvoller kommen Stil, Äußerlichkeiten, Trends daher.
Wenn Sie heute Dirndl und Lederhose in den Schrank packen, können Sie sicher sein: Der Zeitgeist ist auf Ihrer Seite. Er denkt sich die Modefarbe für den Winter aus, diktiert die Rocklänge für den Frühling – und sorgt im nächsten Herbst garantiert dafür, dass Ihre Tracht wieder voll zur Geltung kommt.
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