Sportler zum Träumen
Eine Woche mit dem SLS Roadster vom AMG – das sind sieben Tage Ausnahmezustand.
MÜNCHEN Nach gut 20 Jahren als Auto-Schreiber bringt einen so schnell nichts mehr aus der Fassung. Aber dieses Gerät hat’s geschafft: Eine Woche lang konnte ich den SLS Roadster von Mercedes-Tochter AMG ausprobieren. Eine Woche mit 571 PS unter der Haube, mit einer möglichen Spitze von 317 km/h. Eine Woche im Ausnahmezustand.
Riesig lange, elegant geschwungene Schnauze, knapper Passagierraum, noch knapperes Heck: Der offene SLS ist ein Roadster wie aus dem Bilderbuch. Man kann auch einfach sagen: ein wunderschönes Auto. Außen silbern, innen rotes und schwarzes Leder – das ist stimmig und wirkt nobel-elegant und kein bisschen protzig.
Startknopf gedrückt – der Achtzylinder brüllt kurz auf, um sich schnell wieder zu beruhigen. Dann am besten den Wählschalter von „Comfort” auf „Sport” gedreht, den Wählhebel der Siebengang-Automatik auf „D”. Und schon gibt’s die erste Verblüffung: Wenn’s gemütlich durch die Wohnstraßen geht, in der City von Ampel zu Ampel, dann fährt sich der Schwabenpfeil so einfach wie eine C-Klasse.
Im freien Geläuf zeigt der Supersportwagen dann sein zweites Gesicht. Er ist schnell, sauschnell. 3,8 Sekunden von 0 auf 100. Über 300 km/h Spitze. Und dann dieses Fahrwerk. Die Dämpfung lässt sich in drei Stufen variieren. Mir hat die härteste (aber nicht zu harte) Version am besten gefallen. Damit wird der SLS zum Superbike-Schreck. Er fräst in einem Tempo durch Kurvenkombinationen, das auch ambitionierte Motorradler alt ausschauen lässt. Und er zieht auch auf den Geraden unaufhaltsam davon.
Unmittelbare, schiere Kraft auf vier Rädern: Klar, den SLS muss man mit kühlem Kopf einsetzen. Er überfordert mit seinen Sprintleistungen manchen Normal-Autofahrer, dessen Bahnen er kreuzt. Auf der Autobahn auch nur in die Nähe der Topspeed rankommen? Mit etwas Glück schafft man’s zwei Mal die Woche.
Aber darum geht es beim SLS Roadster eigentlich auch gar nicht. Er ist ein faszinierendes Stück Technik mit einem ungeheuren Potenzial. Und das kann man auch genießen, wenn es bei moderatem Tempo ruhig unter der Haube schlummert. Man könnte, wenn man wollte...
Das kleine Stoffdach lässt sich innerhalb von neun Sekunden bis Tempo 50 öffnen (und natürlich auch schließen), das kleine Windschott und der Nackenfön sorgen für angenehme klimatische Bedingungen. Die Sitze sind sportlich-knapp und extrem bequem. Der Kofferraum reicht für leichtes Reisegepäck. Und der Benzinvorrat im Tank für muntere 400 bis 500 Kilometer am Stück. 16,5 Liter schluckte das AMG-Triebwerk während des AZ-Tests im Schnitt. Das ist nicht wenig. Aber den Fahrleistungen absolut angemessen.
Wollen wir jetzt wirklich noch über Geld reden? Na ja, das muss wohl sein. 195 160 Euro verlangt AMG für sein Prachtstück. Im Vergleich zu manchem Supersportler italienischer Provenienz ist das nicht wirklich viel. Aber das Budget von Normalos sprengt diese Summe bei weitem.
Ist ja auch gut so. Der SLS ist schließlich ein Traumauto. Und das steht nun mal nicht an jeder Straßenecke rum.
- Themen:
- Verkehr