Eine andere Dimension

Unterwegs mit dem Lamborghini LP 570-4 Superleggera mit 570 PS. Sein Beiname ist Programm: Alles ist superleicht
Jochen Wagner |
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In 3,2 Sekunden von null auf 100 – und im Nu wieder auf null: Der Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera ist ein sehr dynamisches Auto.
dpa In 3,2 Sekunden von null auf 100 – und im Nu wieder auf null: Der Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera ist ein sehr dynamisches Auto.

MODENA „Sotto voce”, dezent faucht er im Stand. Respektvoll rollen wir aus dem Werkstor hinaus. Fast weich und kräftig dann sein Antritt auf der Via Modena. Unterm Argwohn der fixen Radarmasten fliehen wir die Commune di Pace über Maggi und Castelfranco gen Süden. In den Collini südlich von Modena und Bologna erwischen wir eine Regenpause. Sofort ist der Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera in seinem Element.

Ist schon der Nassgrip ein Mirakel, so verwandeln die Pirelli-P-Zero-Corsa im Trockenen jeden Meter in ein Fest. Ob mit fünfzig durch Dorfalleen, mit achtzig in Spitzkehren driften oder mal auf hundertfünfzig beschleunigen, bis einen die Bremsen im Nu wieder auf null runterwürgen, das ist frühestes Volksfestvergnügen. Wir haben es ausgekostet, so gut es ging, auch wenn wir die 570 PS und 540 Newtonmeter nur anreizen konnten. Übermütig serviert dieses Automobil ein Breitbandspektrum von lammfromm bis tierisch brutal.

Der um 13 Kilo abgespeckte Kampfstier macht der berühmten, von Francisco Gallardo im 18. Jahrhundert gezüchteten Rasse, alle Ehre. Seit 2003 wurden 10000 Gallardo produziert, aber dem aktuellen LP-570 gebührt das Reifezeugnis. Rundum, innen in Alcantara, der Nähfaden farblich wie die Außenhaut. Und trotz größerer Lufthutzen vorne ist er mit mehr Anmut in der Keilform einfach ein Gedicht. Für pure Poesie sorgt neben den Farben Giallo Midas, Verde Ithaca, Arancio Borealis, Grigio Telesto, Nero Noctis und Bianco Monocerus speziell der Sound. Sonor beginnt das concerto grosso bei Standgas – bis hin zu 3000 Umdrehungen röhrt er TÜV-sanft, um danach mit offenen Auspuffklappen aus zwei Doppelrohrfanfaren zum Spiel zu blasen.

Was uns Autoquartette vorträumten, erfüllen die bloßen Daten: ein 12,5:1 verdichteter 90-Grad-V10-Motor, leichtere Karosserie, neuer Heckspoiler, verkleideter Unterboden, neuer Diffusor für bessere Aerodynamik, nochmals 70 Kilo weniger, automatisches Sechsganggetriebe, Hinterachse mit 45 Prozent Schlupfdifferential, vorne elektronische Schlupfregelung, Alu-Doppelquerlenker, steifere Radaufhängungen, straffere Stoßdämpfer. Dazu kommen Überrollbügel nebst Feuerlöscher, Navigationssystem, Rückwärtsfahrkamera im Display der Mittelkonsole und Tagfahrlicht, vorne 235/35x19er- und hinten 295/30x19er-Walzen, 365 Millimeter große Stahl- oder 380-Millimeter-Carbonscheiben mit Sechs-Kolbenzangenbremse vorne nebst 356 Millimeter in vier Kolben hinten, Lederlenkrad und freie Sicht auf den Motor.

Samt ESP, ABS, ASR und ABD sowie rundum Airbags und Euro-5-Kat kostet der Sportler immerhin 208726 Euro. Vielfach verschwinden die Autos in Garagen betuchter Sammler oder tummeln sich, eingeladen vom Werk oder Lambo-Clubs, auf Rennstrecken. In diese Arenen gehören sie auch, wo sich Stiere wie Miura, Islero, Urraco, Espada, Murciélago halt tummeln. Selbst die Polizia Stradale hat einen Gallardo, zum Eiltransport von Spenderorganen.

Auf seine Weise ist dieser Gallardo, drei Zentner leichter als das Urmodell aus dem Jahr 2003, ein perfektes Auto. Seine 1340 Kilo kommen in 3,2 Sekunden von null auf 100 km/h, weitere sieben Sekunden später zeigt der Tacho 200, bei Tempo 325 ist Schluss. Aber dem gefühlten Spektakel, das sich aus dem 5,2-Liter-Monstrum, dem stoischen Chassis und der Formel-1-Schaltung ergibt, sind die Messdaten eh wurscht. Pluswippe rechts, Minuswippe links, das Durchkosten des gewaltigen Angebotes wird zum Divertimento. Armaturen, weiße Rundinstrumente, Audi-Standard halt, gute Sportsitze mit Hosenträgergurten, die auf Nebenstraßen besser ganz straff sitzen – alles funktioniert ohne Firlefanz.

Unterm Strich: viel Potenz für erfahrene Könner. Und ein Magnet für Passanten. Spaß oder Frevel? Dieser Supersportler braucht zwar 20 Prozent weniger Sprit als der Ur-Gallardo und entlässt nun 300 statt mehr als 400 Gramm CO2 in die Atmosphäre, nimmt sich aber bei flottem Ritt statt 13,5 Liter Normverbrauch auch 31 Liter auf 100 Kilometer.
Melancholisch steigen wir aus und sind froh, das Prachtstück gesund wieder nach Hause gebracht zu haben. Aber sind solche Boliden heute überhaupt noch vermittelbar?

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