Der lange Weg zum Flugauto

Nie mehr im Stau stehen und immer den direkten Weg nehmen - seit Jahrzehnten träumen Entwickler von Autos, die nicht nur fahren, sondern auch fliegen können. Drei aktuelle Projekte nähren die Hoffnung auf den Beginn einer neuen Luftfahrt-Ära.
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Kompakte Konstruktion: Zusammengefaltet hat das Aeromobil das Format eines Kleintransporters.
dpa 6 Kompakte Konstruktion: Zusammengefaltet hat das Aeromobil das Format eines Kleintransporters.
Das Aeromobil soll mit angelegten Flügeln auf der Straße eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreichen und mit bis zu 200 km/h durch die Luft sausen.
dpa 6 Das Aeromobil soll mit angelegten Flügeln auf der Straße eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreichen und mit bis zu 200 km/h durch die Luft sausen.
Hängt im Flugbetrieb unter einem Gleitschirm: Das Luftfahrzeug von Fresh Breeze wurde in Bissendorf (Niedersachsen) entwickelt.
dpa 6 Hängt im Flugbetrieb unter einem Gleitschirm: Das Luftfahrzeug von Fresh Breeze wurde in Bissendorf (Niedersachsen) entwickelt.
Der Transition von Terrafugia erreicht in der Luft bis zu 160 Sachen, kann mit eingeklappten Flügeln aber auch auf der Straße fahren.
dpa 6 Der Transition von Terrafugia erreicht in der Luft bis zu 160 Sachen, kann mit eingeklappten Flügeln aber auch auf der Straße fahren.
Mit angelegten Flügeln auf der Straße zu Hause: der Transition von Terrafugia.
dpa 6 Mit angelegten Flügeln auf der Straße zu Hause: der Transition von Terrafugia.
Könnte auch aus einem Science-Fiction-Film stammen: Dieses Flugmobil ist einer der Prototypen des US-Entwicklers Paul Moller.
dpa 6 Könnte auch aus einem Science-Fiction-Film stammen: Dieses Flugmobil ist einer der Prototypen des US-Entwicklers Paul Moller.

Davis/Bissendorf - Immer, wenn Paul Moller im Stau steht, packt ihn die Wut über die verlorene Zeit. Das Gefühl kennt jeder, doch der Amerikaner will sich damit nicht abfinden: Er forscht an einem Fahrzeug, mit dem man jeder Verkehrsbehinderung entfliehen kann - durch die Luft. Denn der Mann aus Davis im US-Staat Kalifornien will nicht glauben, dass das nur im Film geht, und arbeitet deshalb bereits seit rund 50 Jahren am Flugauto.

Dafür hat er einen etwas wissenschaftlicheren Begriff geprägt: "Wir nennen das Konzept Volantor", sagt der fast 80 Jahre alte Professor über den Senkrechtstarter, der wie ein Hubschrauber nahezu überall abheben und landen können soll. Moller glaubt fest daran, bald den Durchbruch zu schaffen, bezeichnet sich bisweilen aber auch selbst als Träumer. Und er träumt einen teuren Traum.

Über 100 Millionen Dollar hat Moller nach eigenen Angaben inzwischen in das Projekt investiert. Davon ist nicht viel mehr übrig als eine baufällige Produktionshalle vor den Toren Sacramentos, ein paar verstaubte Designmodelle und eine Handvoll klappriger Prototypen, die bislang nur aufgehängt an Stahlseilen abgehoben haben. Aber solche Erfahrungen schrecken Pioniere einer neuen Luftfahrt nicht ab. Im Gegenteil: Ob in Amerika oder Europa - überall arbeiten Visionäre und Ingenieure an einer neuen Fahrzeuggattung, die auf dem Boden genauso zu Hause ist wie in der Luft.

In Bissendorf in Niedersachsen zum Beispiel tüftelt Michael Werner seit über zehn Jahren an einem Flugauto. Mit seiner 20 Mann starken Firma Fresh Breeze steht er kurz vor dem Serienstart, wie er sagt. Sein Fahrzeug sieht wie eine Mischung aus Trike und Sumpfboot aus, der 110 kW/150 PS starke Heckmotor treibt wahlweise die Hinterachse oder einen großen Propeller an. Sobald man auf Flugbetrieb schaltet, den Gleitschirm auspackt und kräftig Gas gibt, hebt der unbeladen etwa 300 Kilogramm schwere Zweisitzer ab.

Auch in Bratislava geht das Auto in die Luft. Dort entwickelt der ehemalige Audi- und BMW-Designer Stefan Klein mit seiner Mannschaft das Aeromobil, das einmal auf Landstraßen und Luftwegen unterwegs sein soll. Aus Karbon gefertigt und mit anklappbaren Flügeln ausgerüstet, hat es auf der Straße das Format eines Kleintransporters mit 160 km/h Höchstgeschwindigkeit. Klappt man die Flügel aus und hebt ab, soll der Zweisitzer bis zu 200 km/h schaffen und ohne Zwischenlandung bis zu 700 Kilometer entfernte Ziele erreichen.

Nach dem gleichen Prinzip arbeitet der Transition von Terrafugia, einem Start-up aus dem Umfeld des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Auch die Amerikaner haben eine Art Flugzeug mit Schwenkflügeln konstruiert, das nach Angaben des Unternehmens binnen 45 Sekunden den Betriebszustand wechseln kann. "Länger dauert es nicht, bis die Hydraulik die Flügel in Position bringt und der Fahrer zum Pilot wird und mit bis zu 160 km/h durch die Luft fliegt", erklärt Mitbegründer Carl Dietrich.

Gegenüber dem Ansatz von Flugauto-Träumer Moller gibt es bei diesen drei Konzepten einen gravierenden Unterschied: "Wir wollen kein Auto bauen, das fliegen kann. Sondern wir haben ein Flugzeug entwickelt, mit dem man vernünftig fahren kann", sagt Dietrich von Terrafugia.

Was nach Haarspalterei klingt, ist entscheidend. Denn Dietrich akzeptiert damit, dass der Transition für Start und Landung noch auf Flughäfen angewiesen ist und sich den Verkehrsgepflogenheiten der Luftfahrt beugen muss. "Wir wollen damit aber auch nicht den Alltag von Pendlern erleichtern, sondern zielen auf die vielen Privatflieger in den USA, die bislang am Boden viel von der Zeit verlieren, die sie in der Luft gewonnen haben", erläutert Dietrich. Denn bis man seinen Flieger im Hangar hat und im Taxi oder Mietwagen sitzt, seien schnell ein, zwei Stunden weg.

Bei seiner Vision kommen dem Terrafugia-Manager die Technik und die Gesetzgebung entgegen: Ein neuer, stark vereinfachter Flugschein in den USA erleichtert die Benutzung des Transition. Und der schleichende Siegeszug des autonomen Fahrens am Boden steigert die Akzeptanz für den Autopiloten im Flieger, argumentiert er.

Mit diesem Ansatz sind die Tüftler bereits viel weiter gekommen als Flugauto-Forscher Moller: Terrafugia hat mittlerweile den Segen der US-Luftfahrtbehörde. Michael Werner war schon in der Luft und fährt mit roten Kennzeichen über Niedersachsens Straßen. Und das Aeromobil 3.0 ist nach seiner Flugfreigabe im vergangenen Herbst intensiv auf Testflügen unterwegs, berichtet Vertriebschef Stefan Vadocz.

Entsprechend optimistisch und trotzdem realistisch klingen die Prognosen: Fresh Breeze will die Entwicklung in diesem Jahr abschließen und dann zu Preisen ab etwa 70 000 Euro mit der Vermarkung als Spaß- und Freizeitfahrzeug beginnen. Terrafugia fehlen laut Dietrich nach dem Invest von 12 Millionen Dollar nur noch etwa doppelt so viele Mittel für den Aufbau einer Kleinserienproduktion, damit die ersten hundert Vorbesteller Mitte 2016 für Preise knapp unter 300 000 Dollar ihren Transition bekommen. Und auch bei Aeromobil soll es bald losgehen, sagt Vadocz.

Projekte wie der Fresh Breeze oder der Transition mögen faszinierende Freizeitfahrzeuge für Urlauber in fernen Ländern sein und die private Fliegerei in Flächenstaaten wie den USA erleichtern. Für Autofahrer allerdings - und erst recht für Berufspendler - sind solche Vehikel erst einmal nicht gedacht, sagt Dietrich. "Morgens auf dem Weg zur Arbeit einfach in die Luft gehen und über den Stau fliegen? Bis das funktioniert, muss man noch sehr lange warten - oder ins Kino gehen."

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