Wiesn: Zwischen China und Fürstenfeld
„Her mit meinen Hennen“ schreibt Thomas Wohlschläger krakelig auf eine weiße Tafel. Einmal in die Musikanten-Runde gezeigt, das war’s. Eine Minute später grölen 7000 Hackerzelt-Besucher den bekannten Wiesn Hit
„Wir reagieren immer spontan auf die Stimmung im Zelt“, erklärt Thomas, Musikchef vom Hacker und Pianist der Kirchdorfer. Gerade scheint der Zeitpunkt gekommen für treibende Posaunen und furiose Saxofonsoli, „Hey Wickie hey“ schallt es durch das Zelt. Während sich die Band auf der beweglichen Bühne langsam um sich selber dreht, wird die Meute auf den Tischen ausgelassener. Höchste Zeit für den einen, ja längst überfälligen Wiesnhit. „Hey, was geht ab“ singen die Frontmänner Markus und Nick ins Mikro. „Wir feiern die ganze Nacht“, kommt es tausendfach zurück.
Wäre ein Bierzelt ein eigener Organismus, das Herz müsste die Kapelle sein. Sie vereint die Menschenmasse in einer großen Gefühlsbadewanne. Ob sie wohlig oder abkühlend ist, das liegt in der Hand von Wohlschläger und den Kirchdorfern. „Bei aggressiver Stimmung spielen wir Verdis ,Nabucco’ oder ,Hopelessly Devoted to You’. Das bringt die Leute runter“, verrät er. Die Kapelle sorgt also nicht nur für die Musik, sondern auch für subtile Emotionsregulierung. Doch kurz bevor man in den Armen des Bierbank-Partners eingeschlafen ist, zwingt einen STS und „Fürstenfeld“ zurück in die Realität. Das Zelt tobt. Wieder hat die Kapelle gewonnen, ihr auszukommen ist nicht möglich. Ist das Münchner Oktoberfest vorbei, heißt es für die Kirchdorfer ab nach Shanghai. Dort sollen sie dem chinesischen Oktoberfest eine zünftige Seele einhauchen. „I wui wida hoam nach Fürstenfeld“ spielen sie dann aber nur privat.
Natalie Berner