Weltstadt mit Biss
Thielemann so gut wie weg, Jansons zögert, Nagano rausgeekelt: Der Staatsopern-Streit schadet dem Ruf der Musikstadt München
Noch vor zwei Jahren beneidete uns die Welt um eine Konstellation mit drei Spitzenorchestern und einem einmaligen Dirigententrio: Christian Thielemann polierte den romantischen Gral bei den Philharmonikern, Mariss Jansons begeisterte mit freundlicher Emotionalität beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Kent Nagano sorgte beim Bayerischen Staatsorchester für analytische Internationalität.
Die schönen Tage sind vorüber. Thielemann ist auf dem Sprung nach Dresden, weil er die berechtigte Kritik aus dem Orchester an seiner Monomanie dulden wollte. Mit dem überraschenden Coup, Lorin Maazel als Interims-Chef der Münchner Philharmoniker zu gewinnen, hat die Stadt wenigstens das Gesicht gewahrt. Seltsame Funkstille herrscht beim Bayerischen Rundfunk: Der 2012 auslaufende Vertrag von Mariss Jansons sollte längst verlängert sein, aber unterschrieben ist nichts. Sein Zögern könnte mit dem gescheiterten Marstall-Projekt zu tun haben. Ganz gesund ist Jansons auch nicht. Wenn er vor der Entscheidung stehen sollte, eines der von ihm geleiteten Orchester aufzugeben, wird er das Amsterdamer Concertgebouw Orkest eher behalten als das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Aber vielleicht klärt sich da ja noch alles. Wirklich in den Brunnen gefallen ist das Kind allerdings in der Staatsoper, wo 2013 Nikolaus Bachler und Kent Nagano zeitgleich zur Verlängerung anstehen. Bachler scheint Kunstminister Wolfgang Heubisch vor die Alternative gestellt zu haben: Der Dirigent oder ich, um den schwelenden Konflikt für sich zu entscheiden und alleiniger Platzhirsch zu werden.
Berechtigte Kritik und lausiger Stil
Natürlich gibt es berechtigte Kritik an Nagano: Es war ungeschickt, dass der Dirigent die von ihm einstudierte Festspiel-„Ariadne“ nach drei Vorstellungen wieder abgegeben hat. Unter Sängern und beim Chor ist der Dirigent wegen unklarer Zeichengebung unbeliebt. Andererseits dirigiert er schwierigste moderne Partituren zur allgemeiner Begeisterung genau, weshalb es am Handwerk nicht liegen kann.
Die überregionalen Reaktionen auf den Streit sind schon jetzt verheerend. Bachlers zweite Spielzeit war längst nicht so gut wie die erste, und seit seinem Amtsantritt gibt es eine Reihe von Inszenierungen im Spielplan, die zwar Kritikern gefallen, wie Kušejs „Macbeth“ aber vom Publikum abgelehnt werden und bei gastierenden Sängern kaum beliebter sind als Auftritte unter Nagano.
Heubisch hat den Dirigenten bisher nur mit unverbindlichem Politsprech verteidigt. Was nur heißen kann: Die Entscheidung gegen Nagano ist bereits gefallen. Falls es tatsächlich gelungen ist, den unter Musikern, dem Publikum und der Kritik gleichermaßen beliebten Kyrill Petrenko zu gewinnen, bliebe zwar ein Beigeschmack schlechten Stils, aber eine Blamage wäre abgewendet. Der Italiener Daniele Gatti wäre zwar nach Bachlers südlichem Geschmack, ist aber bei deutsch-österreichischer Spätromantik und als Konzertdirigent bislang profilierter als in der Oper. Internationalen Glanz wie Nagano verstrahlt er nicht.
Übrigens gibt es auch Gerüchte über einen kurzbehosten Jungdirigenten. Wenn der käme, wäre der Kunstminister rücktrittsreif. Dann hätte er sich von Bachler erpressen lassen. Und eigentlich wäre es die Aufgabe des Ministeriums, Ruhe in den Laden zu bringen, statt Benzin ins Feuer zu gießen.
Robert Braunmüller