Volker Herres: Verzaubert von Lena

ARD-Programmdirektor Volker Herres über das Grand-Prix-Casting, die Siegerin Lena Meyer-Landrut, Dieter Bohlens „DSDS“ und den schwächelnden Vorabend
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ARD-Programmdirektor Volker Herres über das Grand-Prix-Casting, die Siegerin Lena Meyer-Landrut, Dieter Bohlens „DSDS“ und den schwächelnden Vorabend

AZ: Herr Herres, Lena Meyer-Landrut vertritt uns beim Eurovision Song Contest, eine „nationale Aufgabe“, wie Sie erklärt haben.

VOLKER HERRES: Mit großem Ernst – auf dem Dach des Reichstags.

Und wie steht unsere Nation jetzt da?

Ich finde, dass die Vorentscheidung richtig spannend war – mit vielen Talenten. Lena Meyer-Landrut verzaubert die Nation. Sie ist mit drei Titeln gleichzeitig ganz weit vorne in den Charts, das haben nicht einmal die Beatles geschafft.

Warten Sie jetzt ab, welchen Platz Lena am 29. Mai beim Grand-Prix-Finale belegt, um dann mit Stefan Raab über eine weitere Zusammenarbeit zu sprechen?

Die Frage, ob unser Casting ein Erfolg war, muss man meiner Meinung nach nicht davon abhängig machen, wie wir in Oslo abschneiden. Der Vorentscheid war ein Erfolg.

Hätten Sie sich nicht eine höhere Quote erwartet?

Wir werden ja häufig und zu Recht ermahnt, dass wir auch hinreichend junge Menschen erreichen müssen. Und bei den unter 49-Jährigen hatte das Finale von „Unser Star für Oslo“ einen Marktanteil von 20,4 Prozent. Das ist ein Spitzenwert. Deswegen haben wir ja diese Kooperation mit ProSieben gemacht, genauso wie wir auch die Echo-Verleihung ins Erste zurück geholt haben.

„DSDS“ mit Dieter Bohlen erreicht allerdings weit mehr junge Zuschauer.

Für mich ist entscheidend: Bei uns geht es um die Musik. Bei RTL hat man dagegen den Eindruck, dass Menschen, die keine Vorstrafen haben oder Drogengeschichten liefern, für den Sender nicht mehr interessant sind. Bei „DSDS“ geht es um die Zurschaustellung von Menschen.

Haben Sie in letzter Zeit etwas bei den Privaten gesehen, von dem Sie dachten, das hätte ich auch gerne?

Bei „Schlag den Raab“ schaue ich immer neidisch hin. Mein 14-jähriger Sohn schaut sich die Show immer an, deshalb muss auch ich sie schauen. Und ich finde das gut.

Schaut Ihr Sohn auch ARD?

Ja, er guckt ganz gerne mal „Tatort“ und den „Presseclub“, weil er seinen Vater da gelegentlich sieht.

Das Durchschnittsalter der ARD-Zuschauer liegt allerdings bei 60 Jahren.

Vielleicht schaffen wir es in diesem Jahr auf 59 – zum 60. Geburtstag der ARD! Allerdings wird völlig übersehen, dass die Nutzungsdauer gerade bei den Älteren rapide nach oben geht, 70- bis 80-Jährige sitzen am Tag mehrere Stunden lang vor dem Fernseher. Das fließt natürlich mit in den Altersdurchschnitt.

Die KEF mahnt immer wieder Einsparungen an. Wo sehen Sie bei der ARD denn selbst Einsparungspotenzial?

Wir werden alles tun, um Einsparungen im Programm so gering wie möglich zu halten. Aber leider werden wir ohne Einsparungen am Programm nicht auskommen. Das ist bereits heute spürbar. Jedenfalls werden die Zeiten ständig steigender Sportrechte zu Ende gehen. Wir werden mit reduzierten Budgets über die Runden kommen müssen. Und wir werden auch im fiktionalen Bereich noch stärker auf die Kosten achten müssen.

Als Flocke im Nürnberger Zoo das erste Mal ins Freie durfte, waren über 80 ARD-Mitarbeiter vor Ort. Muss der SWR auch nach Franken fahren, um eigene Bilder zu machen?

Diesen Unmut kann ich verstehen. Die ARD ist ein großer Betrieb mit eigenständigen Landesrundfunkanstalten und unabhängigen Redaktionen. Da lässt sich immer etwas optimieren. Wir müssen alle Verbesserungsmöglichkeiten ausschöpfen, bevor wir die deutsche Produzentenlandschaft austrocknen und Schauspieler deshalb im Englischen Garten liegen und nicht mehr vor der Kamera stehen.

Was ist denn Ihre größte Baustelle im Programm?

Das Erste darf kein Programm für feine, kleine Schichten sein, sondern muss eine große Breitenwirksamkeit haben. Das gelingt immer wieder. Denken Sie an den Scientology-Abend. Das Kunststück muss sein, Qualität und Quote zusammenzuführen. Das ist mühsam, aber spannend!

Am Vorabend gelingt das der ARD seit längerem nicht.

Wir haben am Vorabend Akzeptanzprobleme. Wobei sich die „Verbotene Liebe“ ein wenig erholt hat. Der „Marienhof“ macht große Anstrengungen und ich hoffe, seine Erholung erreicht die Stetigkeit, die ich mir wünsche. Gut gemacht hat sich „Das Duell“ mit neun Prozent Marktanteil in der letzten Woche. Das ist zwar noch nicht sensationell, aber die Richtung stimmt. Wir überlegen derzeit, wie es mit dem Vorabend weitergeht.

Die gesamte Struktur steht ja zur Diskussion. Bei „Marienhof“-Fans hat diese Ankündigung zu einem angstvollen Aufschrei geführt.

Damals habe ich gesagt: Im Fernsehen hat nichts eine Garantie für die Ewigkeit, außer vielleicht die „Tagesschau“. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass wir den „Marienhof“ morgen einstellen wollen. Wir werden der Serie Zeit geben, sich zu stabilisieren, schließlich ist der „Marienhof“ eine Marke.

Das Quiz mit Jörg Pilawa läuft mit Folgen aus der Konserve noch bis zum 31. August. Weil es noch keine Alternativ-Programme gibt?

Nein, wir nutzen das Repertoire, es ist die kostengünstigste Programmform. Und wir haben so Zeit, uns zu überlegen, was wir auf dem Programmplatz anbieten wollen. Mit einiger Sicherheit wird es wieder eine Spielshow sein.

Jörg Pilawa geht zum ZDF und wird in der ARD gleich von einer ganzen Reihe Moderatoren ersetzt. Hat der Sender keine herausragende Persönlichkeit, die die entstandene Lücke ausfüllen könnte?

Früher sind wir oft für die sogenannte „Pilawasierung“ des Programms kritisiert worden. Damals wurden wir gefragt: Seid ihr so verarmt, dass ihr im Showbereich nur noch dieses eine Gesicht habt? Wenn man einen so großen Unterhaltungsmoderator wie Pilawa hat, spricht einiges dafür, auch möglichst viel mit ihm zu machen. Jetzt, wo er weg geht, wollen wir uns nicht mehr auf nur eine Person fokussieren.

Angelika Kahl

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