Vier Fäuste für ein Halleluja

Aufprall der Kulturen: Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad gehen ab Sonntag in der ARD auf eine schräge Deutschland-Safari
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Aufprall der Kulturen: Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad gehen ab Sonntag in der ARD auf eine schräge Deutschland-Safari

Zwei Männer und eine Hündin on the road, quer durch Deutschland in einem knallbunten Auto, multikulturell und mit allen Wassern gewaschen – 30 000 Kilometer haben Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad zurückgelegt, um auf einer Entdeckungsfahrt das wahre Deutschland kennenzulernen. Zwei Perspektiven prallen da aufeinander, der eine, Broder, ist polnischer Jude, Journalist mit Lust an polemischen Aussagen; der andere, Abdel-Samad, ägyptischer Moslem, Buchautor, einst Lehrkraft an der LMU, Typ smarter Wissenschaftler. Sie treffen in der fünfteiligen ARD-Serie „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ auf Ex-Stasi-Mitarbeiter, statten der NPD in Berlin-Neukölln einen Besuch ab, gehen mit einem Panzerbataillon auf Spritztour. Ab diesem Sonntag, 7. November, 23.35 Uhr, kann man dem Duo folgen.

AZ: Herr Broder, es gibt einige provokante Aktionen in Ihrer Serie, Sie laufen etwa in einer Burka übers Oktoberfest. Wie haben Sie die ARD von diesem Projekt überzeugt?

HENRYK M. BRODER: Die Produktionsfirma hat das gemacht. Aber das sind ja auch keine provokanten Sachen, sondern harmlose Scherze. Ich glaube, die ARD will das Durchschnittsalter ihres Publikums von 60 auf 58 senken, und dafür brauchten Sie uns.

Die Serie wird zu einer späten Sendezeit gezeigt.

Die Sendezeit ist prima. Mein Fernsehkonsum fängt mit den Tagesthemen an, und es gibt ganz viele Leute, bei denen das ganz genauso ist. Die anderen Angehörigen schlafen da alle schon. Das ist doch gut so.

Ihr Vorgehen erinnert an Michael Moore oder Borat. Haben Sie die sich zur Inspiration vorab angeschaut?

Nein. Michael Moore ist keine Inspiration, sondern ein Abturner. Und Borat ist großartig, aber das hatten wir nicht im Sinn. Wir haben eher was von Monty Python.

Mussten Sie Überzeugungsarbeit leisten, dass Hamed Abdel-Samad mitmacht?

Überhaupt nicht. Ich fand das sehr lustig, dass wir das machen konnten. Die Produktion als auch die Sender haben das schnell geschluckt. Die Zusammenarbeit war erstaunlich leichtfüßig mit der ARD.

Sie haben sich sehr kritisch zum Islam geäußert. Gab es da keine Konfrontation mit Ihrem Mitfahrer?

Das ist ja keine Islam-Kritik, die ich betreibe. Ich habe mich mit opportunistischen deutschen Intellektuellen beschäftigt, die vor jedem Totalitarismus, der ihnen begegnet, in die Knie gehen. Die Islam-Kritik hat dann eher Hamed geleistet, mit seinen beiden letzten, großartigen Büchern.

Sie verkleiden sich in der ersten Folge als wandelnde Stele, um damit den Festivitäten zum 5-jährigen Bestehen des Holocaust-Denkmals in Berlin beizuwohnen. Hamed weigert sich, Sie zu begleiten.

Das war echt. Es war eine Versuchsanordnung, wir hatten Situationen, ohne zu wissen, was daraus entstehen wird. 95 Prozent ist improvisiert.Wie könnte man denn sonst an den Holocaust gedenken? Am liebsten wäre es mir, wir würden damit aufhören, weil es verlogen ist. Die Deutschen sind seit 65 Jahren damit beschäftigt, den Widerstand nachzuholen, den sie damals nicht geleistet haben. Das ist einfach nur noch wohlfeil.

Wenn man das Wort Safari hört, denkt man an wilde Tiere. Was waren denn die gefährlichsten Spezies, die Sie auf Ihrer Reise trafen?

Gefährliche Spezies waren nicht dabei. Claudia Roth wollte sich zum Beispiel nicht mit uns treffen. Das wäre der absolute Höhepunkt gewesen, so, als wenn wir den Mount Everest barfuß ohne Atemgerät hochgestiegen wären. Aber es haben sich viele Leute geweigert, Roger Willemsen etwa. Das sind all jene, die gerne in einen Dialog mit Al-Kaida eintreten würden. Wir waren ihnen dann doch zu gefährlich.

Es ist aber überraschend, wo Sie beide überall Zugang fanden, bei der NPD oder Ex-DDR-Funktionären in Berlin. Kannten die Sie vorher nicht?

Die kannten uns, und wenn sie uns nicht kannten, dann haben sie uns gegoogelt. Schauen Sie, dass ist so wie mit Billy the Kid: Wenn der in den Saloon gekommen ist, dann dachte auch der ein oder andere, er hätte eine Chance. Genauso ging es uns. Aber wir haben alle fair behandelt.

Sie meinen in der ersten Folge: „Integration ist, wenn du dich mies benimmst, also so richtig schlecht, wie eine Drecksau - und keiner nimmt es dir übel.“ Sind Sie gut integriert in Deutschland?

Natürlich. Ich glaube, dass wir beide sehr gut integriert sind. Ich denke auch, dass Hamed und ich die neuen Deutschen sind. Wir sprechen zusammen 7 oder 8 Sprachen, das sind mindestens 7 einhalb Sprachen mehr als der normale Deutsche spricht. Und wir können auch Deutsch sprechen!

Wie sieht es nach der Reise aus: Verstehen Sie sich mit Ihrem Mitfahrer noch gut?

Natürlich! Wir sind Freunde geworden und wollen im nächsten Jahr ein Buch zusammen machen. Wir fahren nach Kairo und Tel Aviv, und dann wird jeder über die Stadt des anderen schreiben. Eine Art Überkreuz-Experiment.

Wollen Sie mit der Serie politisches Bewusstsein schaffen?

Nein, wir wollen nur reich und berühmt werden und viele Frauen treffen.

Herr Broder, Sie sind doch berühmt genug.

Es ist nie genug.

Michael Stadler

Start am Sonntag, 23.35 Uhr, in der ARD. Das Buch zur Serie erscheint im Knaus-Verlag

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