Verleger und Buchhändler in München kritisieren Bayerischen Rundfunk nach Kultur-Kahlschlag scharf
Der Bayerische Rundfunk plant offenbar die Abschaffung mehrerer Kultursendungen auf Bayern 2. Demnach stehen die "Kulturwelt", das "Kulturjournal" und das Büchermagazin "Diwan" vor dem Aus. Auch "Nachtstudio", "Kinokultur" und "radioTexte" sollen ab dem Frühjahr 2024 wegfallen.
Da hilft es auch nicht, dass der BR intern von einer "Aufwertung der Kultur" spricht, weil angeblich einige wenige, irgendwie die Kultur betreffende Beiträge in der dann verlängerten "Radiowelt" zwischen 6 Uhr und 9 Uhr Platz finden sollen. Intendantin Katja Wildermuth ist offensichtlich keine Freundin des Buches, denn mit dem Wegfall des "Diwan" gibt es dann auch keine Sendung mehr auf Bayern 2 (und im gesamten Bayerischen Rundfunk), bei der die Literatur ein zentrales Thema ist.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Kulturauftrag – doch die Kultur fristet nicht nur im BR ein Nischendasein
Aber es gibt auch Gegenwind. In einem neuen Positionspapier verweist das Netzwerk der deutschen Kultur-Rundfunkräte auf die zentrale Aufgabe: "Ein Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sein Kulturauftrag, ist durch den 3. Medienänderungsstaatsvertrag bekräftigt worden. Es heißt dort: 'Die öffentlich-rechtlichen Angebote haben der Kultur, Bildung, Information und Beratung zu dienen. Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Profil entspricht, ist Teil des Auftrags.' Zu Recht wird in dem Programmauftrag die Kultur an erster Stelle genannt und dadurch deren Bedeutung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk herausgehoben."
In den öffentlich-rechtlichen Anstalten aber – und da ist der BR keine Ausnahme – fristet die Kultur eine immer stärker beschnittenes Nischendasein. Und im Zuge der ARD-Reform, mit der insgesamt rund 250 Millionen Euro für digitale Verwendung eingespart werden sollen, gerät die Kultur ganz offensichtlich weiter unter die Räder.
Felicitas von Lovenberg: Kultur-Kahlschlag beim Bayerischen Rundfunk ist "ein Armutszeugnis"
Die AZ hat sich umgehört, was die Münchner Verlags- und Buchwelt von den Plänen des Bayerischen Rundfunks hält:
Felicitas von Lovenberg, verlegerische Geschäftsführerin des Piper Verlags: "Aus Sicht der Verlage, für Autor:innen und alle Menschen, die gern gute Bücher lesen, ist die drohende Abschaffung von 'Kulturwelt' und 'Diwan' beim BR eine erneute Hiobsbotschaft. Es ist ein Armutszeugnis, dass diejenigen, die über solche kulturellen Kahlschläge entscheiden, offenbar selbst nicht zum Zielpublikum der Sendungen gehören, die dann entweder ganz gestrichen oder bis zur Unkenntlichkeit eingekürzt werden.
Früher einmal glaubte ich, Bücher bräuchten vor allem kluge Vermittlung. Inzwischen ist klar: Bücher brauchen eine Lobby. Die ist selbst in den öffentlich-rechtlichen Sendern allerdings offenbar nicht mehr vorhanden. Woher, so fragt man sich, soll deren Publikum der Zukunft kommen?"

Durch die Abschaffung der Kultursendungen geht "dem Buchmarkt in Bayern viel verloren"
Klaus Füreder, Vorsitzender des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V.: "Wenn das so eintreten sollte, sind das für den Buchhandel und die Verlage sehr schlechte Nachrichten. Bücher leben ja davon, dass über sie gesprochen wird.
Leider führen Bücher in den Medien aber bereits jetzt ein Nischendasein. Gerade Bayern 2 hat sich insbesondere mit der 'Kulturwelt', dem 'Diwan' und dem 'Kulturjournal' hiervon sehr wohltuend abgehoben. Wenn diese eigenständigen Formate künftig wegfallen sollten, ginge dem Buchmarkt in Bayern insgesamt viel verloren."
"Bald wird es nur noch Blockbuster geben", fürchtet die Leiterin des Literaturhauses am Salvatorplatz
Tanja Graf, Leiterin des Literaturhauses am Salvatorplatz: "Für das Literaturhaus klingt die nun diskutierte Rundfunk-Reform alarmierend, denn unser Publikum informiert sich maßgeblich auch über die verschiedenen Kulturformate des Bayerischen Rundfunks.
Gerade diese Sendungen sind Inspirationsquellen für alle Interessierten, nicht nur für gebildete Baby-Boomer (was ist eigentlich verkehrt an dieser wachsenden Zielgruppe, die demnächst noch mehr Zeit haben wird, Kultur zu genießen?).

Die Spatzen rufen es von den Dächern: Kultur- und Bildungsangebote sind wichtiger denn je, damit wir als Gesellschaft zusammenhalten. Als Kulturinstitution wollen wir laufend neues Publikum erreichen, aber dabei unser Stammpublikum nicht verlieren.
Das geht nur, wenn fundierte Beiträge die Vielfalt des kulturellen Angebots beleuchten. Wenn diese in Zukunft fehlen, wird es bald nur noch Blockbuster geben. Wie unendlich schade."
Harte Kritik am Bayerischen Rundfunk: "Wer Kultur kürzt, schadet dem Land"
Jo Lendle, Verleger (Carl Hanser Verlag): "Kulturauftrag ist kein schönes Wort, aber das, wofür es steht, ist herrlich und unverzichtbar: Es ist die Einladung, sich um das zu kümmern, was uns gut tut und uns weiterbringt, jeden Einzelnen und alle gemeinsam. In der Kultur erproben wir unser Zusammenleben – ich wüsste nicht, wann das notwendiger wäre als gerade jetzt. Kultur braucht Platz. Wer den kürzt, schadet dem Land."
Regina Moths (Buchhandlung Moths): "Man ist ganz stumm vor Ratlosigkeit. Woran soll man zuerst denken angesicht solcher Entscheidungen? Bildungsauftrag? Kulturvermittlung? Teilhabe? Die Heuchler:innen gehen um. Nein, das ist ungerecht. Die Entscheidungsträger:innen des BR haben ihr ungebremstes Desinteresse an sorgfältig abgewogener und kenntnisreicher Kulturberichterstattung zu Sendezeiten, an denen die Mehrheit der Bevölkerung wach ist, ja nicht verheimlicht. Anläufe gab es ja mehrere. Und der Grund? Einsparungen? Bei zwei Orchestern und einem Chor? Die Kulturabschaffenden rotten sich flüchtend ins belanglose Rundfunkfastfood.

Münchner Verleger erbost über BR-Entscheidung: "Eine Katastrophe und ein weiterer Nackenschlag"
Alexander Strathern, Verleger und Geschäftsführer, Allitera Verlag: "Für uns als kleinen Münchner Verlag ist diese Meldung eine Katastrophe und ein weiterer Nackenschlag nach den diversen Problemen, die die letzten Jahre für die Verlags- und Kulturbranche mitgebracht haben. Ohne größere Marketingbudgets – über die kaum ein kleiner Verlag verfügt –, sind wir zwingend angewiesen auf eine redaktionelle Berichterstattung zu unseren Publikationen.
Nur so werden Leserinnen und Leser auf Bücher aufmerksam. Jetzt kann man das Ganze weiterspinnen: Weniger Rezensionen (von neun Landesanstalten können wir übrigens nur träumen) bedeuten weniger Verkäufe bedeuten zwangsläufig weniger Publikationen und, im schlechtesten Fall, weniger Verlage. Die kulturelle Diversität schrumpft und damit die kulturelle Landschaft, derer wir uns so rühmen."

Bayern-2-Sendung "Diwan" soll gestrichen werden: "Mir blieb die Spucke weg, als ich davon gehört habe"
Michael Volk, Verleger (Volk Verlag): "Zugegeben, die bloßen Inhalte des Sachbuchsegment verlagern sich in stetigem Fluss ins Internet. Das Sachbuch aber erschließt ein Thema in einem viel tiefergehendem Diskurs, Schicht für Schicht sozusagen. Diese Qualität, die mit einem hohem Qualitätsanspruch und großem finanziellen Aufwand seitens des Verlages verbunden ist, benötigt ein Würdigung durch eine qualifizierte Kulturberichterstattung.
Die Belletristik hingegegen erfreut sich großer Resonanz, sowohl im gedruckten Buch, als auch als E-Book oder als Hörbuch. Hier zeichnet sich eine anspruchsvolle Kulturberichterstattung dadurch aus, den Leserinnen und Lesern Inhalte zu empfehlen, die sich durch Qualität von der Masse unterscheiden. Daher benötigen wir Verlage Instanzen wie zum Beispiel den 'Diwan'."

Michael Lemling, Geschäftsführer der Schwabinger Buchhandlung Lehmkuhl: "Mir blieb die Spucke weg, als ich davon gehört habe, das ist ja ein richtiger Kahlschlag! Der 'Diwan' ist ein renommiertes, intelligentes Büchermagazin, ein selten gewordener Ort für kluges und kompetentes Reden über Bücher, das sonst oft gar nicht mehr stattfindet. Als Buchhändler habe ich Kunden, die gezielt zu uns kommen und ein Buch kaufen, von dem sie im Radio gehört haben. Aber die Sendungen, die nun zur Disposition stehen, sind genauso wichtige Informationen für uns Buchhändler selbst."
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