TV-Macher nehmen Reich-Ranicki nicht für voll
Weder ARD noch RTL wollen die Debatte über «gutes Fernsehen, schlechtes Fernsehen» mit dem Literaturpapst führen. Und Thomas Gottschalk nennt die intellektuelle Elite des Landes «überheblich».
Eine Woche nach dem Eklat beim Deutschen Fernsehpreis hat sich der Ton zwischen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und deutschen Fernsehmachern noch einmal verschärft. Zwar durfte Reich-Ranicki in der eigens für Freitagabend angesetzten ZDF-Sendung «Aus gegebenem Anlass» seine Schelte noch einmal bekräftigen. Moderator Thomas Gottschalk verteidigte in einem Interview das Ziel «schmerzfreier» Unterhaltung im Fernsehen und warf den Intellektuellen in Deutschland Überheblichkeit vor. Vertreter von ARD und RTL stuften Reich-Ranickis Urteil als irrelevant ein.
Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff sagte der in Düsseldorf erscheinenden «Wirtschaftswoche», er habe nicht ganz verstanden, dass die vom Literaturkritiker angestoßene Debatte in der Lage war, die internationale Finanzkrise aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Gerhard Zeiler, Chef der RTL Group, sagte dem «Spiegel», er sehe «überhaupt gar keinen Grund, mit Reich-Ranicki über das Fernsehen zu diskutieren». RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt wandte sich in der «Bild»-Zeitung gegen Pauschalkritik. Reich-Ranicki schaue kaum fern und könne deshalb die Qualität des Fernsehens nicht wirklich beurteilen.
Marktanteil des Interviews: 14,4 Prozent
Der 88-jährige Literaturkritiker, der am Samstag vergangener Woche mit dem Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreises ausgezeichnet werden sollte, hatte die Würdigung bei der Gala überraschend abgelehnt und die dort prämierten Beiträge sowie das Fernsehprogramm insgesamt scharf kritisiert. Gottschalk, der Moderator der Fernsehgala, hatte ihm daraufhin vorgeschlagen, mit ihm gemeinsam eine Sendung zu gestalten, in der sie über all das reden könnten, was im deutschen Fernsehen zu selten vorkommt. Die Sendung wurde am Freitagabend im ZDF gezeigt. 3,51 Millionen Zuschauer hatten eingeschaltet, der Marktanteil betrug 14,4 Prozent. Reich-Ranicki sagte in der Sendung, William Shakespeare, Friedrich Schiller oder Bertolt Brecht hätten sehr unterhaltende Stücke geschrieben. Diese Stücke könne man auch im Fernsehen zeigen - und zwar so, «dass die Gebildeten ihren Spaß haben und die weniger Gebildeten es auch verstehen». Er forderte die Fernsehmacher auf, sich mehr Mühe zu geben. Der 58 Jahre alte Gottschalk hielt dagegen, das Fernsehen sei dem Erfolg verpflichtet, es müsse versuchen, möglichst viele Menschen zu erreichen. Es gebe Zuschauer, die nicht so gebildet seien, die dürfe das Fernsehen nicht vernachlässigen.
«Albern, aber schmerzfrei«
Im Interview mit dem «Spiegel» sagte Gottschalk, er beobachte, dass sich «intellektuelle Elite und Bildungs-Prekariat in Deutschland zusehend auseinanderentwickeln». Er selbst mache «mitunter albernes, aber schmerzfreies Unterhaltungsfernsehen». «Ich nenne es Überheblichkeit, wenn mir und den Leuten so etwas madig gemacht wird», sagte Gottschalk. Ihn ärgere «die generalistische Ablehnung derer, die sich für so was für zu intelligent halten. Die sollen ihren Schopenhauer lesen und mich in Ruhe lassen!» (epd)
- Themen:
- ARD
- Marcel Reich-Ranicki
- RTL
- Thomas Gottschalk
- ZDF