Schwelgen in Erinnerungen

Die neue „Aida Night of The Proms” gibt sich trotz Altstars wie Seal, Alison Moyet und dem unverwüstlichen John Miles in der Olympiahalle poppiger, kürzer und ein bisschen jünger
von  Claus Lochbihler

Mit der „Night of the Proms” verhält es sich wie mit bunten Bonbon- oder Pralinenschachteln für die ganze Familie: Von manchen Sorten hätte der Einzelne gern mehr, von anderen weniger. Aber es muss eben auch für jeden etwas dabei sein.

In der Olympiahalle hätte es zum Beispiel etwas weniger Seal auch getan, wenn man stattdessen mehr von den so viel musikalischeren Kolleginnen und Kollegen gehört hätte. Einer schlanker denn je wiederauferstandenen Alison Moyet etwa, die mit nur drei Songs – darunter einer hübsch orchestrierten Version des Yazoo-Hits „Don’t Go” – zeigte, dass sie immer noch alles, aber auch wirklich alles singen kann. Mehr hätte man gern auch vom Chor „Fine Fleur” gehört, der mit einer Kombi-Version aus Agnus Dei und Adeles „Rolling in the Deep” begeisterte. Und erst recht mehr vom Über-Disco-Gott Nile Rodgers und Chic, die mit „Le Freak” und „Good Times” die Olympiahalle in eine Disco-Hölle verwandelten.

Seal dagegen überzeugte mit seinen überlangen Versionen von „Amazing” und „Crazy” mehr sportlich als sängerisch: Singend hüpft, joggt, und schwitzt er sich in der zweiten Konzerthälfte so ausgiebig durch’s Publikum, als ob er seine Security-Leute ein für alle Mal abhängen möchte. Dabei wird im Vorbeiflug gefühlt jeder und jede so intensiv angeschmachtet, dass man sich anschließend fast für Heidi Klum hält.

Mit neuem Sponsor – einem Anbieter von Kreuzfahrten –, der nicht unbedingt hanseatisch zurückhaltend auftritt, sich andererseits aber auch licht-, video- und showtechnisch nicht lumpen lässt, kommt die „Night of The Proms” poppiger, kurzweiliger und ein wenig jünger daher als in den Vorjahren. So liefert sich das bewährte Orchester „Il Novecento” mit seinem Dirigenten Robert Groslot ein Battle mit dem DJ, bei dem Klassik-Schnipsel von Vivaldi bis Beethoven und Samples von Queen, David Bowie oder Michael Jackson gegeneinander antreten. Zum Ende hin verschmelzen und überlagern sich die Stücke, bis ganz zum Schluss ausgerechnet das Orchester auf einmal „Insomnia” von Faithless anstimmt.

Wenn diese Auseinandersetzung zugunsten von Dirigent und Orchester ausgeht, liegt das aber nicht nur an dieser witzigen Musik-Pointe, sondern an der prolligen Karikatur eines DJs hinter den Turntables. Beim nächsten Mal, liebe „Night of the Proms”, bitte eine richtigen DJ mitbringen! Und für das Original-Proms-Feeling würde man 2012 gerne wieder Elgars „The Land of Hope and Glory” hören.

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