Raunende Unverbindlichkeit
Es liegt ein Unbehagen über dem Thema, das die Notwendigkeit der Aufarbeitung signalisiert: Was sehen wir wirklich, wenn wir Bilder vom Krieg präsentiert bekommen? Können wir glauben, was uns als reale Gewalt buchstäblich verkauft wird, um uns aufzustacheln oder aufzuklären? „Bild – Gegen – Bild” stellt künstlerische Positionen vor, die sich kritisch mit der Darstellung von gewalttätigen Konflikten in den Medien befassen”, so das Haus der Kunst. Gleich 4 Kuratoren gingen die Sache an, da man wissenschaftlich vorgehen wollte, konzentrierte man sich auf die letzten beiden Dekaden, also die Zeit seit den jüngeren Golfkriegen. Es gibt Medienbilder – nun gibt es Gegenbilder von 19 Künstlern.
Sean Snyder stellt das Wirken des US-Verteidigungsministeriums dem von Al Qaida gegenüber; Trevor Paglen fotografiert geheime Militäranlagen und zeigt (angebliche) Himmelsspuren von Spionagesatelliten: Es stellt sich die Frage, ob hier eine Art Kunstvariante von Wikileaks installiert wurde.
Alfredo Jarr macht es wieder genau anders herum, er zerrt nichts an Licht, sondern er vergräbt reale Kriegsfotos in Archivboxen. Wer es noch nicht wusste, lernt daraus, dass wir manche Bilder auch nicht zu sehen bekommen. Das Briten-Duo Langlands & Bell hat das Haus von Bin Laden als interaktive Computersimulation sichtbar gemacht und belässt es dabei: Egoshooting findet nicht statt.
Aufklärende Gegenrecherche betreibt Jasmila Zbanic, indem sie einen Fall aus dem Jugoslawien-Krieg dokumentiert, in dem ein Journalisten eine schwer verletzte Frau fotografierte anstatt ihr zu helfen. Und zentral hängen 150 von Hans-Peter Feldmann arrangierte Titelseiten von „9/11”. Das soll die „Hierarchisierung von Nachrichten” vorführen, wofür allerdings der New Yorker Terrorakt ein denkbar schlechtes Beispiel ist. Und ist die Klage, dass die Bilder der stürzenden Twin Towers ein „einschlägiges Beispiel für die weltweite Vernetzung von Nachrichtenagenturen” seien, nicht einfach nur banal im gestrigen Erstaunen über die globale Medienwelt?
Selten verschwamm die Grenze zwischen Kunst und Journalismus so konsequent wie in dieser Schau. Bis dahin, dass man fragen muss, ob hier nicht verkappte Journalisten vor den ernsthaften Konsequenzen des Jobs in die raunende Unverbindlichkeit der Kunstsphäre flüchten.
Das Problem ist nicht, dass die Medien hinterfragt werden, sondern dass dabei Militär, Geheimdienste und Journalisten als Manipulierer in einem Topf landen. So einfach ist die Welt der Medien nicht.
Nach den eigentlichen Ursachen für die zum Teil ja in der Tat beklagenswerten Entwicklungen wird nicht geforscht: Sensationsgeil sind wir schließlich alle.
„Bild - Gegen - Bild”, bis 16.9.2012, täglich von 10 bis 20 Uhr, der Katalog kostet 29.80 Euro
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