"Radio machen ist nicht mehr alles": BR-Intendantin Katja Wildermuth auf dem roten AZ-Sofa

Die Intendantin des Bayerischen Rundfunks im Barocksaal des Deutschen Theaters über den Wandel im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Streit um die „konservative Stimme“ Julia Ruhs
von  Thomas Becker
Katja Wildermuth im im Barocksaal des Deutschen Theaters.
Katja Wildermuth im im Barocksaal des Deutschen Theaters. © Daniel von Loeper

Feine Sache, so ein Sofa. Kann zwar nicht reden, spricht aber doch mit einem. Sagt "Setz dich zu mir, entspann‘ dich, mach‘s dir gemütlich, und dann reden wir mal miteinander." Eigentlich müssten die Dinger überall im öffentlichen Raum stehen, verpflichtend. Damit wir wieder ins Gespräch kommen und all die Missverständnisse ausgeräumt werden können.

Da kommt einem doch gleich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Sinn, mit all seinen Verwerfungen und dem immerwährenden Spagat zwischen Quote und Informations- sowie Bildungsauftrag. Gut also, dass auch BR-Intendantin Katja Wildermuth sich Zeit für einen Besuch im Barocksaal des Deutschen Theaters nimmt, wo dieses stadtbekannte rote AZ-Sofa sieben Abende lang eine temporäre Heimat gefunden hat.

Ohne den Terminkalender einer Intendantin auch nur ansatzweise zu kennen, lässt sich vermuten, dass der ganz schön voll ist und dass der überwiegende Teil von Katja Wildermuths täglicher Arbeit wohl darin besteht zu reden. Mit anderen Intendanten und Kolleginnen, mit Abteilungsleitern, Programm-Machern, Controlern - und manchmal auch mit anderen Journalisten - wie mit AZ-Kulturredakteur Adrian Prechtel, der durch den Abend führt und erstmal auf das Outfit seines Gastes zu sprechen kommt: tomatenroter Hosenanzug auf einem rubinroten Sofa?

Katja Wildermuth nach der Wahl zur Intendantin des Bayerischen Rundfunks am 22. Oktober 2020.
Katja Wildermuth nach der Wahl zur Intendantin des Bayerischen Rundfunks am 22. Oktober 2020. © Foto: Lino Mirgeler

Prechtel biegt dann auch sofort in medias res ab und fragt: "Warum tun Sie sich diesen Wahnsinn mit einem 14-Stunden-Tag an?" und meint den Posten als Chefin dieses schwer überschaubaren Apparats namens Bayerischer Rundfunk. "Ich mache das wahnsinnig gerne, seit viereinhalb Jahren", versichert Wildermuth, die in nach Anzing bei München aufwuchs. Sie schwärmt von "großartigen Kollegen" und ist sich sicher: "Sehr viele sind froh, dass es uns gibt."

"Auch mit denen reden, die uns abschaffen wollen"

Also alles eitel Sonnenschein? Nicht doch! "Der Populismus nimmt zu", klagt die Intendantin und weist das Bild vom "trägen Tanker Bayerischer Rundfunk" zurück: "Mit 5000 Mitarbeitern ist der Sender nicht gerade klein, wir müssen mit historisch gewachsenen Tarifbedingungen umgehen - und mit der großen Herausforderung einer sich schnell veränderten Mediennutzung."

Katja Wildermuth im Gespräch mit Adrian Prechtel.
Katja Wildermuth im Gespräch mit Adrian Prechtel. © Daniel von Loeper

Das betreffe auch die Angestellten: "Viele sind zu uns gekommen, weil sie gerne Radio machen. Aber Radio machen ist nicht mehr alles - es gibt auch Podcasts." Um nur mal mit einem Beispiel das sich ständig entwickelnde Berufsbild zu veranschaulichen. Dennoch, so Wildermuth, sei Journalismus "der schönste Job der Welt".

Wildermuths Jahresbudget beträgt mehr als eine Milliarde Euro. Und wohin fließt denn das ganze Geld? Wildermuth nennt einen Verwaltungsprozentsatz von nur vier Prozent; die hohen Pensionsrückstellungen würden abnehmen, weil opulente Verträge so schon lange nicht mehr geschlossen würden. Und zur "Selbstkommerzialisierung des BR" meint sie: "Wir müssen keine Inhalte publizieren, um Klicks zu generieren. Das Vertrauen in unsere Qualität ist das höchste Gut."

Die BR-Intendantin Katja Wildermuth.
Die BR-Intendantin Katja Wildermuth. © picture alliance/dpa/BR

Als Prechtel das Thema politische Gesinnung von Mitarbeitern und deren Umgang zum Beispiel mit der AfD anspricht, wird die Intendantin grundsätzlich: "Wir sind ausgebildete Journalisten, wir haben keine Angst. Und wir müssen mit jedem reden, auch mit denen, die uns abschaffen wollen. Das gehört zur demokratischen Auseinandersetzung."

Raus aus den Erregungsspiralen, mehr Gelassenheit

Mit Blick über den großen Teich und zu manch europäischen Nachbarn warnt sie: "Wir merken erst jetzt, was es bedeutet, die demokratische Grundordnung zu verteidigen. Unsere Gatekeeper-Rolle ist weg, jeder ist heute Presse, jeder kann zum Sender und Autoren werden." Hinzu komme aktive Desinformation. Generell haben die Menschen ihrer Ansicht zufolge zwei große Schwächen: "Sie sind sensationslüstern und brauchen Selbstbestätigung", was dazu führe, dass viele abweichende Meinungen nicht mehr an sich ranlassen würden.

Interessant ihre Haltung zur Causa Julia Ruhs. Der NDR setzte die Sendung "Klar" mit der "neuen konservativen Stimme" nach drei Pilotfolgen ab, da es im Sender Unmut gab. Eine Zuschauerbefragung fiel positiv aus, dennoch wurde die Zusammenarbeit mit Ruhs vom NDR beendet, vom BR jedoch nicht. Ruhs, die beim BR volontiert hatte, sei "eine ganz normale Kollegin", sagt Wildermuth, "und nicht alles, was diskutiert wird, ist ein Streit. Wir sind in unseren Erregungsspiralen gefangen, deshalb neige ich zur Gelassenheit."

Die BR-Intendantin Katja Wildermuth,
Die BR-Intendantin Katja Wildermuth, © Daniel von Loeper

Der Zweck allen journalistischen Handelns sei, "die Wertschätzung durch die Gesellschaft", der Gegner sei Spotify und die Playlist. Deren Algorithmen stünden für Horizont-Verengung, "und wir müssen uns fragen: Was macht uns davon unterscheidbar?" Wildermuth meint, dass dies möglich sei, indem man auch in Unterhaltungsformaten spannend Informationen transportiere.

Am Freitag, 14. November, 19 Uhr, sitzt auf dem roten AZ-Sofa der grüne OB-Kandidat und Zweite Bürgermeister Dominik Krause, Einlass und Abendkasse 18.30 Uhr 15 Euro inklusive Getränk

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