Interview

"Wieder da!" im Lustspielhaus: "Es gibt deutlich weniger Tote"

Sarah Hakenberg stellt ihr neues Programm "Wieder da!" im Lustspielhaus vor.
Thomas Becker |
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Die kabarettistische Liedermacherin Sarah Hakenberg.
Die kabarettistische Liedermacherin Sarah Hakenberg. © Josepha & Markus

Die mit dem "Deutschen Kabarettpreis" ausgezeichnete Liedermacherin hat eine Menge neuer mitreißender Schmählieder, raffinierter Protestsongs und unverfrorener Ohrwürmer geschrieben und meldet sich zurück auf der Kabarettbühne.

AZ: Frau Hakenberg, "Wieder da!" heißt Ihr neues Solo-Programm, mit dem Sie durch die Lande touren, obwohl sie krank waren.
SARAH HAKENBERG: Es sind Zeiten, in denen man einfach weitermacht. Auch wenn ich kaum noch einen Ton raus gebracht habe: Ich kann nicht Auftritte absagen, die schon drei Mal verlegt wurden.

Zugfahren zu Lockdown-Zeiten? "Herrlich"

Und das in Zeiten, wo man eh einen Bogen um Bus und Bahn macht. Wie voll ist es schon wieder im Zug?
Noch nicht so wie es mal war, aber es wird deutlich voller. Zu Lockdown-Zeiten war das ja herrlich: Da hatte ich schon mal den ganzen Großraumwagen für mich allein.

Ist diese "Wieder da!" ein Seufzer der Erleichterung nach der langen Bühnenabsenz?
Ja, klar. Schauen wir mal, ob sich das bewahrheitet. Oder ob es der Virus ist, der wieder da ist.

Ihr Mann ist Veranstalter, Sie waren also doppelt betroffen von der Pandemie.
Stimmt, aber ich fand das am Ende sogar besser. Es gab ja doch Hilfen vom Staat, insofern mussten wir nicht unter der Brücke schlafen, hatten eh weniger Ausgaben, weil alle Urlaube gestrichen waren. Ich habe nur all die Frauen bedauert, die mit den Kindern samt Homeschooling alleine zu Hause waren, während der Mann gearbeitet hat. Wir konnten uns mit den zwei Kindern gut aufteilen, haben viele Familienausflüge gemacht.

Bühnen-Rückkehr nach Corona: "Das Publikum ist gerade einfach grandios"

Die Kultur ist zurück bei den Menschen. Wie fühlt es sich an auf der Bühne?
Es tut richtig gut, auch mal wieder Kollegen zu treffen: eine Freude! Auch das Publikum ist gerade einfach grandios. Die, die kommen, sind ja die Mutigen. Die haben dann auch so richtig Lust! Und das zeigen sie auch. Dann ist es auch nicht schlimm, dass die auf Abstand und in viel zu großen Sälen sitzen. Unter normalen Bedingungen würde man denken: Um Gottes Willen, da kommt doch nie Stimmung auf! Aber die geben sich auch alle so Mühe, und so funktioniert es für alle Seiten.

In hellen Scharen kommen die Zuschauer noch nicht, oder?
Der Nachteil ist, dass eineinhalb Jahre tagtäglich gepredigt wurde: "Halte dich nicht mit anderen Menschen in geschlossenen Räumen auf!" Das wirkt natürlich, das merkt man. Vor ein paar Tagen hatte ich Vorpremiere in Warburg, in einem kleinen Theaterchen mit 60 Plätzen. 40 waren da, und es war für alle komisch. Am Anfang habe ich gefragt: "Und? Fühlt ihr euch sicher?" Und viele so: "Neiiiin!" Das konnte ich verstehen. Es ist einfach noch ungewohnt.

Sarah Hakenberg: "Es ist eine Spur politischer geworden"

An Ihrem Bühnentun hat sich aber nichts geändert, oder?
Es ist eine Spur politischer geworden. Das ging einfach nicht anders. Ich habe den Eindruck, dass diese Zeit alle politisiert hat. Corona kam, alle haben die Zeitung aufgeschlagen und erstmal die Inzidenz gecheckt. Schon mal ein Grund, überhaupt in die Zeitung zu schauen, und wenn man schon mal da ist, schaut man noch weiter: Flutkatastrophe, Afghanistan, die Wahl. Man blieb hängen. Egal wen ich jetzt treffe: Man kommt sehr schnell auf das Thema Politik. Sehr gut, eine positive Nebenwirkung! Weil alle über ihren Tellerrand raus gucken. Ich habe viele Lieder, die ihre Aktualität behalten haben: über Trump, SUV-Fahrer, den letzten CDU-Wähler - ein Lied, das in der Zukunft spielt, das ich aber schon vor einem halben Jahr geschrieben habe.

Sonst sind Sie aber die Alte geblieben? Immer schön bissig, gern auch mal böse?
Es gibt deutlich weniger Tote. Weil es für viele eine sehr existenzielle Zeit war: Corona plus Flutkatastrophe. In meinem letzten Programm "Und dann kam lange nichts" - auch wieder sehr passend gerade -, habe ich ein Kreuzfahrt-Lied drin, das am Schluss im Meer versinkt. Konnte ich nicht mehr spielen, war nicht mehr lustig. Ich habe gemerkt: Ich möchte weiter bissig sein, aber es müssen nicht mehr so viele sterben. Das nutzt sich irgendwann ja auch ab. Als Ausgleich habe ich zwei Lieder über meine Kinder geschrieben, denn die ich habe ich zuletzt auch viel häufiger gesehen.

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Und Sie haben Ihre Lieder erstmals im Studio aufgenommen. Wie kam's?
Von nicht-kabarettaffinen Menschen höre ich oft: "Tolle Texte, aber immer nur mit Klavierbegleitung ist doch ein bisschen langweilig." Das fällt mir selbst gar nicht auf, weil es mir nur um die Texte geht. Deswegen mache ich auch keine pompösen Klavierbegleitungen: Das lenkt doch nur ab! Aber nach den Studioaufnahmen weiß ich nun, was die Leute meinen. Meine Stimme wurde super abgemischt, ich habe ein Streichorchester, eine Tuba, die mein Trump-Lied enorm aufwertet. Da ist mehr Power, mehr Breite. Hat richtig Spaß gemacht! Obwohl zusammenarbeiten mit mir gar nicht einfach ist, weil ich nicht so der Teamplayer bin, sondern immer schon meine Vorstellung im Kopf habe. Bisher waren meine CDs immer Mitschnitte von Auftritten, aber da ich so eine Perfektionistin bin und immer gleich Fehler gefunden habe, konnte ich mir die nie anhören. Das ist bei so einer Studioaufnahme jetzt anders, zum Glück.


Lustspielhaus, 22. Oktober, 20 Uhr

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