"Der Schuh des Manitu" im Deutschen Theater: Ouzo im Wilden Westen

Schwerst unkorrekt und herrlich unterhaltsam: Das Musical "Der Schuh des Manitu" im Deutschen Theater.
Mathias Hejny |
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Gute Laune in Winnetouchs Puder-Rosa-Ranch.
Gute Laune in Winnetouchs Puder-Rosa-Ranch. © SLT/Löffelberger

München - Wenn das nicht interaktiv ist: Alle, die eine der Goodie-Tüte bekommen haben, finden darin Requisiten zum Mitmachen. Darin sind Leuchtstäbchen für die besonders emotionalen Momente, knisterndes Papier für das Lagerfeuer, ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift "Shit happens" oder eine Packung Taschentücher, um am Ende den Helden beim Ritt in den Sonnenuntergang hinterher zu winken. Der Knaller aber ist eine 3-D-Brille, mit der der Wahnsinnstrip auf einer Lore durch ein achterbahnartiges Bergwerk in aller Schwindel erregenden Räumlichkeit erlebt werden kann.

Michael "Bully" Herbig grüßt per Video-Botschaft

Auch, wenn das Premieren-Publikum sparsam mit den Goodies umging, verspricht "Der Schuh des Manitu" ein Knaller der damit eingeläuteten Post-Corona-Spielzeit des Deutschen Theaters zu werden. Minutenlange Standing Ovations belohnten die muntere Truppe, die mit Texten von John von Düffel sowie Songtexten von Heiko Wohlgemuth und Ecco Meineke mutig aus einem Kultfilm ein Musical bastelte. Bully Herbig, der Schöpfer des Kinohits, grüßt vor der Vorstellung mit einer Videobotschaft und freut sich sowohl über 20 Jahre "Schuh des Manitu" als auch über 125 Jahre Deutsches Theater.

Dort hätte der Cowboy-und-Indianer-Jux schon vor genau einem Jahr uraufgeführt werden sollen, um danach in das Salzburger Landestheater weiter zu reiten, das die Show zusammen mit Herbigs Filmfirma produzierte.

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Mutig ist vor allem, im rauen Klima von Political Correctness und Cancel Culture ein so unbefangen übermütiges Kostümfest mit Fransen und Federschmuck zu feiern, in dem zudem ein Native American, den man nach aktueller Spachregelung eigentlich nicht mehr als "Indianer" bezeichnen darf, auch noch schwerst schwul herumtuntelt.

Der Kabarettist Helmut Schleich bezog im Frühjahr Prügel für einen Fernsehsketch, bei dem er schwarz geschminkt einen afrikanischen Diktator spielte. Und sogar Michael Endes Bücher um Jim Knopf (in deren Verfilmung Bully Herbig den Halbdrachen Nepomuk spielt) wird als rassistisch beschimpft. Andererseits lässt sich in der Queer-Szene durchaus Sympathie zum homosexuellen Winnetouch hören, der in der Musicalversion als Chef des Schönheitssalons Puder-Rosa-Ranch von Marc Seitz mit herzerwärmender Putzigkeit gespielt wird.

Zudem ist "Der Schuh des Manitu" eine Parodie auf die Karl-May-Verfilmungen aus den 1960er-Jahren, die inzwischen mehrere Generationen begleitete.

"Ich trinke Ouzo und was tust du so?"

Die pathetische Einfalt der Streifens um Winnetou und Old Shatterhand, die wohl Karl May selbst peinlich gewesen wäre, ist aber so üppiges Futter für Parodisten, dass man sich fragt, warum fast 40 Jahre bis zum "Schuh des Manitu" vergingen. So baute Komponist Martin Lingnau natürlich den gefühlig weich gespülten Sound von Martin Böttcher nach, kann aber auch anders. Die ultimative Mitklaschnummer hat er dem Griechen Dimitri Stoupakis (Fabio Diso) mit dem Sirtaki-Ohrwurm "Ich trinke Ouzo und was tust du so?" geschrieben. Das kleine und von Philipp Gras geleitete Orchester zeigt sich sattelfest in den vielen musikalischen Genres vom anrührend zarten Liebeslied Abahachis (Mathias Schlung), der von Mondnächten am See mit Uschi träumt, bis hin zum ganz großen Kino mit Uschi (Miriam Neumaier) und der Windmaschine, wenn Sie ihr Glück mit Ranger (Daron Yates) besingt.

Einen der wunderbareren Auftritte aber hat der Geräuschemacher Philipp Dietrich, der in seiner mit "Silence is golden" beschrifteten Loge mit Hufklappern, Pistolenschüssen, krachenden Faustschlägen und knirschenden Gelenken gut beschäftigt ist. Er kann auch Steptanz und doubelt den Bösewicht Santa Maria (Hans Neblung), der nicht steppen kann, aber den Beifall einheimst.

An solchen Szenen macht die Inszenierung von Andreas Gergen besonders viel Spaß wie auch die energiereiche Choreografie von Simon Eichberger. Das lässt die Museumsreife mancher Pointen ebenso vergessen wie den Wunsch nach etwas mehr von der Wildheit, die die Werbung für den "Wilden Westen als wildes Musical" verspricht.

Aber als familientaugliche und mit viel Liebe zum witzigen Detail gemachte Unterhaltung ist Manitus Schuh zur Zeit kaum zu schlagen.


Deutsches Theater, noch bis zum 9. Januar, Dienstag bis Samstag 19.30 Uhr, samstags auch 15.30 Uhr, Sonntags 14.30 und 19 Uhr, Karten ab 28 Euro unter Telefon 55234444.

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