Vesselina Kasarova im ehemaligen Odeon
Den Odeonsplatz kennt jeder. Aber den namensgebenden Konzertsaal? Dessen Reste befinden sich als überdachter Innenhof in dem klassizistischen Gebäude links hinter dem Reiterdenkmal von König Ludwig I. Normalerweise kommt man da nicht rein – aus Sicherheitsgründen, weil sich im Gebäude seit 1952 das Innenministerium befindet.
Für das Festival „Stars & Rising Stars“ machte Joachim Herrmann eine Ausnahme. Er habe sich persönlich über Sicherheitsbedenken hinweggesetzt, sagte der Hausherr zur Begrüßung. Um allfällige Gelüste im Keim zu ersticken, wurden Besucher am Eingang scharf durchsucht, und weil eine große süddeutsche Tageszeitung zirka einmal pro Quartal vom Umbau zu einem Kammermusikssaal träumt, stellte der Innenminister klar, dass der Raum dafür nicht zur Verfügung stünde.
Muss er auch nicht. Die gegeenwärtige Akustik hat Badezimmerqualität. Das heißt: Es singt sich recht schön, aber für Instrumentalmusik ist sie kaum zu gebrauchen. Das störte am Sonntag kaum, obwohl – soweit vernehmlich – mit dem Salzburger Ensemble 1756 um den Cembalisten Konstantin Hiller ein Originalklangorchester recht frisch aufspielte.
Denn es galt der Sangeskunst. Die zuletzt in München eher selten zu hörende Vesselina Kasarova machte den Star. Sie sang Händels „Lascia ch’io pianga“, Rossinis „Di tanti palpiti“ und eine Szene aus der „Italienierin in Algier“. Ihre Stimme ist wohl erhalten, die gurrenden Manierismen auch. Die Nachkolorierung jeder Koloratur lässt zusammen mit der exzentrischen Gestik dem Hörer jene Schauer über den Rücken jagen, an denen die Aura einer Diva zweifelsfrei körperlich erfahrbar wird.
Wenig Stilgefühl
Das Maximum an Kitzel erzeugte die Kasarova im eigentlich Sopranistinnen vorbehaltenen Rondo der Vitellia aus Mozarts „La clemenza di Tito“. Mit der berüchtigt tiefen Stelle hat die Bulgarin keine Mühe, mit der Höhe anscheinend auch nicht. Wer weiß, vielleicht kommt ein Regisseur auf die Idee, die Kasarova Vitellia und Sesto zusammen als multiple Persönlichkeit darstellen zu lassen.
Mit dem am Theater Basel engagierten Rising Star José Coca Loza trat sie auch in einer komischen Rossini-Szene auf. Der Bassist hat eine wunderbare schwarze Stimme – perfekt für den Osmin. Im Gegensatz zu Huang Shan weiß er sich auch auf der Bühne zu bewegen. Der Chinese interpretierte mit ansprechender Stimme zwei Händel-Nummern etwa in dem altväterlichen Stil, wie Luciano Pavarotti am Beginn eines Liederabends aus der Sammlung „Arie antiche“ vorzutragen beliebte.
„Se di lauri“ aus Mozarts „Mitridate“ gemahnte an Puccinis „Nessun dorma“. Spätestens bei dieser Stil-Bricolage drängte sich die Frage auf: Waren das nicht die gleichen Herren wie im Vorjahr? Sie waren es. Warum nur? An herausragendem Sängernachwuchs herrscht kein Mangel, wie jeder Besucher von Aufführungen der Theaterakademie und des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper weiß. Letzterem gehört übrigens ab Herbst die Mezzosopranistin Natalia Kutateladze an, die sich krankheitsbedingt entschuldigen ließ.
Die nächsten Termine: Mozart-Gala mit Mojca Erdmann, Mi., 19 Uhr, Technikum im Werksviertel, Do. Kammermusik mit Niu Niu, Clara Shen und Ziyu He um 19 Uhr in der Reithalle