Tradition allein reicht nicht: Bach-Chor fliegt aus der Isarphilharmonie

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Die Isarphilharmonie mit ihren knapp 2000 Plätzen ist ein begehrter Konzertort. An einem besonderen Tag im Jahr ist das Hauen und Stechen um die Saalbuchung aber besonders hart.
Seit den Zeiten des legendären Bach-Chor-Gründers Karl Richter führt der Münchener Bach-Chor die "Matthäuspassion“ am Karfreitag nachmittags auf: zur überlieferten Todesstunde Jesu – und das seit der Errichtung des Gasteigs immer in der Philharmonie.
2026 muss der Bach-Chor ins Prinzregententheater
2026 aber geht das nicht mehr. Denn der Bach-Chor hat den Veranstalter gewechselt: von Helmut Paulis Tonicale zur Konzertdirektion Hörtnagel. Der Gasteig – noch unter Geschäftsführer Max Wagner – hatte 2025 die Bach-Chor-Tradition noch gewahrt, aber jetzt herrscht ein "wechselndes Vergabeprinzip“. Und Helmut Pauli hat, seit er den Bach-Chor verloren hatte, eine eigene "Matthäuspassion“ am Start mit der Bach-Akademie.

"Keine Traditionstermine, kein Automatismus“
Die Frage: Gehört ein Aufführungstermin einem Veranstalter, wie der Tonicale, oder dem dort bisher immer auftretenden Interpreten, eben dem Bach-Chor? Für die Vermieterin der Isarphilharmonie, die Gasteig München GmbH, ist die Sache klar: "Vertragspartner ist der Veranstalter und nicht das Ensemble“, sagt Geschäftsführerin Stephanie Jenke: "Wir haben auf vielen Terminen Druck von mehreren Veranstaltern. Und die Münchner Philharmoniker haben als Orchester der Stadt München ein Vorbuchungsrecht. Da kann es zu Kollisionen kommen.“
Was den Karfreitag anbelangt, betont Jenke, dass die Philharmonie eben keine Kirche sei. Und grundsätzlich würde jeder Veranstalter gleich behandelt, sodass in Zukunft abwechselnd jeder drankommen soll: "Es gibt da keinen Automatismus oder Traditionstermine.“ Aber darauf genau setzt der Bach-Chor mit seiner Jahrzehnte langen Karfreitagstradition.

Hörtnagel, Tonicale und MünchenMusik im Kampf
Für 2026 hat Hörtnagel mit dem Bach-Chor schon mal keinen Karfreitagstermin bekommen. Der Bach-Chor muss im kommenden Jahr also nun erstmals die schlankere "Johannespassion“ von Bach aufführen – im kleineren Prinzregententheater. Aber damit will man sich in Zukunft nicht mehr abfinden: "Wir sind zum Thema Raumvergabe in guten Gesprächen und gehen davon aus, dass wir als Münchner Traditionsensemble weiterhin in unserer Stadt einen festen Platz haben“, sagt die Geschäftsführerin des Bach-Chores Ursula Halbritter etwas wolkig.
Im Kampf um den Karfreitag gibt es aber noch einen dritten Player: MünchenMusik von Andreas Schessl. Der hat die Tradition des verstorbenen Enoch zu Guttenberg und seinen "Matthäuspassions“-Aufführungen am Karfreitag übernommen. Philippe Herreweghe hat die Leitung 2026 zugesagt, begnügt sich aber mit dem Abendtermin.

Eine Klage um die Vergabemodalitäten
Und was an der Gesamtkonstellation von drei Bewerbern um den Karfreitag in der Isarphilharmonie noch witzig ist: Mitbewerber Hörtnagel und sein Bach-Chor gehört mittlerweile selbst zu MünchenMusik, sodass sich Bach-Chor und Herreweghe unter einem gemeinsamen wirtschaftlichen Dach Konkurrenz machen. Und Helmut Pauli hat ohnehin eine Klage über die Vergabemodalitäten gegen die Gasteig München GmbH laufen.
"Bach hoch 2": Am Freitag, 25. Juli, 19 Uhr, singt der Bach-Chor in der Markuskirche, Gabelsbergerstraße Ecke Oscar-von-Miller-Ring, 25 Euro an der Abendkasse: "Es ist eine Art musikalische After-Work-Party, aber etwas inniger – und dadurch, dass sich Orgel- und Chormusik abwechseln, auch besonders abwechslungsreich", sagt Chorleiterin Johanna Soller