"Rock am Ring" - Musikfans trotzen Terrordrohung
Noch einmal soll ordentlich gefeiert werden: Sonntagnacht geht das dreitägige Musikfestival "Rock am Ring" zu Ende. Ein Terroralarm hatte den Beginn der Veranstaltung am Freitagabend überschattet. Doch Bands und Fans machten klar: Sie lassen sich nicht unterkriegen.
Nürburg - Nach dem Terroralarm und der anschließenden Unterbrechung des Musikfestivals "Rock am Ring" laufen die Ermittlungen zu den Hintergründen weiter. Im Visier der Behörden stehen drei Männer aus Hessen. Über mindestens einen der Verdächtigen liegen laut Ermittler "deutliche Erkenntnisse im Bereich des islamistisch geprägten Terrorismus" vor. Gegen die drei Männer wurden Ermittlungsverfahren wegen der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens eingeleitet.
Die Großveranstaltung in der Eifel mit fast 90.000 Fans geht in der Nacht zum Montag zu Ende. Am Freitagabend war das Festival wenige Stunden nach Beginn wegen möglicher Terrorgefahr zunächst ausgesetzt worden. Auslöser für den Alarm seien Unstimmigkeiten zwischen den registrierten Namen und den tatsächlichen Personen auf Zugangsausweisen für sicherheitsrelevante Bereiche gewesen, teilten die Ermittler mit. Es gab Durchsuchungen von Wohnungen und Beschlagnahmungen. Die Männer wurden vorläufig festgenommen, sind seit Samstagmorgen aber wieder auf freiem Fuß. Ein konkreter Tatverdacht hatte sich laut Polizei zunächst nicht erhärtet.
Womit der Vorwurf der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens begründet wird, führten die Behörden auch auf mehrfache Nachfrage nicht aus. Auch ob bei den Durchsuchungen Sprengstoff gefunden wurde, war zunächst nicht bekannt. Nach einer umfassenden Untersuchung des Geländes wurde die Veranstaltung am Samstagmittag wie geplant fortgesetzt. Teilweise wurden die ausgefallenen Auftritte nachgeholt, die mit Spannung erwartete Show der Band Rammstein, die für Freitagabend angesetzt war, musste jedoch entfallen.
Marek Lieberberg mit klarem Statement
Das enttäuschte viele Fans, die Stimmung auf dem Gelände war dennoch ausgelassen. "Rock gegen Terror", war auf einem der vielen Plakate zu lesen, die aus der Menge vor der Hauptbühne in die Höhe gehoben wurde. Der Veranstalter von "Rock am Ring", Marek Lieberberg, bekräftigte seine Forderung nach einem öffentlichen Bekenntnis von Muslimen gegen Terrorismus. "Ich erwarte von allen Beteiligten eine eindeutige Gegnerschaft zu Gewalt und Terror. Nach meiner Wahrnehmung haben es die Menschen muslimischen Glaubens bisher leider weitgehend versäumt, dies auch in entsprechenden Demonstrationen zu artikulieren", sagte Lieberberg der Süddeutschen Zeitung.
Der 71-Jährige hatte in einer sehr emotionalen Erklärung unmittelbar nach der Evakuierung des Festivalgeländes unter anderem gesagt: "Ich möchte endlich mal Demos sehen, die sich gegen die Gewalttäter richten. Ich hab' bisher noch keine Moslems gesehen, die zu Zehntausenden auf die Straße gegangen sind und gesagt haben: Was macht ihr da eigentlich?" Für diese Äußerung wurde er kritisiert, erhielt aber auch Lob etwa von der AfD. "Keiner ist davor gefeit, von der falschen Seite vereinnahmt zu werden", sagte Lieberberg dazu der Bild am Sonntag.
Der Sänger der Toten Hosen, Campino, lobte die Menge für ihr besonnenes Verhalten am Vorabend. "Ihr wart absolut großartig, Leute, da könnt ihr euch was drauf einbilden", rief er am Samstagabend. Die Menge antwortete darauf; "Wir sind der Ring, wir sind der Ring." Zum Abschluss des dreitägigen Festivals "Rock am Ring" wollten die Fans noch einmal richtig feiern.
Veranstalter loben Besucher von "Rock im Park"
Polizei, Feuerwehr und Veranstalter haben am Sonntag die Festivalbesucher von "Rock im Park" für ihre Ruhe gelobt. Dass es nach der Terrorwarnung bei "Rock am Ring" auf dem Schwesterfestival in Nürnberg so entspannt geblieben war, sei den Einsatzkräften, aber auch den Besuchern zu verdanken, sagte Veranstaltungsleiter Martin Reitmeier am Sonntag.
Auch die Sprecher von Feuerwehr und Polizei lobten den friedlichen Verlauf des Festivals. So habe sich etwa die Zahl der Diebstähle im Vergleich zum Vorjahr nahezu halbiert - trotz gestiegener Besucherzahlen. Bis Sonntagmorgen kam es laut Polizei zu 40 Fällen. Auch die Zahl der Körperverletzungen sei von 16 im Vorjahr auf bisher 4 zurückgegangen.
Im Vorfeld hatten die Veranstalter die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Besucher durften keine Taschen oder Getränke mit auf das Festivalgelände nehmen. Das habe bisher zu keinen Problemen an den Einlasskontrollen geführt - unerlaubte Gegenstände hätte es kaum gegeben, sagte Reitmeier.
Zudem gab es nach Angaben der Veranstalter schärfere Einlasskontrollen für die Mitarbeiter des Festivals. Außerdem wurden an einzelnen Eingängen Betonpoller aufgestellt, die die Einfahrt von unerlaubten Fahrzeugen hätten verhindern können. Im Camping-Einlassbereich kontrollierten Einsatzkräfte das Gepäck der Besucher, was zum Teil zu langen Schlangen führte.
Als es am Freitag rund 400 Kilometer entfernt beim Zwillingsfestival "Rock am Ring" zum Terrorverdacht kam, wurden die Besucher beider Festivals zeitgleich durch sogenannte "Schutzengel" auf den Bühnen informiert - und blieben völlig ruhig.
"Einige unserer Kameraden an den Bühnen haben berichtet, dass sie es noch nie so ruhig und gesittet erlebt haben", sagte Jürgen Kohl vom Bayerischen Roten Kreuz. "Und das in einer Situation, in der man nicht davon ausgehen konnte."
Die Sanitätsdienste zählten bis zum Sonntagmorgen 2710 Einsätze. Im Vorjahr waren es 1933. Etwa ein Drittel sei auf die warmen Temperaturen zurückzuführen, sagte Jürgen Kohl vom Bayerischen Roten Kreuz. Die Hitze und der Alkoholkonsum mancher Besucher hätten zu vielen Kollapsen oder Kreislaufproblemen geführt.
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