Neuer Sound bei Revolverheld in München: Dadurch hat die Band verloren, was jahrelang das wichtigste war
München - Was haben Revolverheld nicht schon alles an Hits veröffentlicht? Ganze Generationen konnten die weichgespülten Radio-Songs wie "Ich lass' für dich das Licht an" mitsingen. Die erste Liebe oder der letzte Herzschmerz wurde in sanfte drei Minuten gepresst. Ein wohlig warmer Abend zum Dahinschmelzen hätte es werden können. Doch die Fans, die unvorbereitet ins Backstage kamen, waren überrascht. Der Sound auf der Bühne hatte nicht mehr viel mit dem Klang der Vergangenheit zu tun.
"Das nächste Album wird eine Bretter-Platte", riefen die fünf Jungs in die Menge und sollten Recht behalten. Sie spielten mit der Scheibe "R/H/1" ein Konzert-Experiment, das sich so sicher nicht viele deutsche Bands trauen würden. Die Feuerzeuge und Handylichter blieben in der Tasche: Aus den Schmuse-Sängern sind Rock-Röhren geworden. Mutiger Schritt oder Auswüchse einer Midlife-Crisis im Song-Format?
Schon bei den ersten Klängen war klar: Das wird kein typischer Revolverheld-Abend
Vor dem Konzert konnte man sich als Fan ausnahmsweise nicht einstimmen. Die zwölf neuen Hits gab es auf keiner Streaming-Plattform zu hören und auch zukünftig in keinem Plattenladen zu kaufen. Die Band kündigte dieses radikale Verhalten schon vor der Tour an. Statt Herzschmerz ging es in den dunkleren Texten jetzt um eine erste Lebens-Bilanz: Krankheit, Tod und Therapie. Gut, wenn man sich auf eine große Fanbasis verlassen kann, die solche Experimente von Ton und Text mitmacht, oder etwa nicht?
Denn schon bei den ersten Klängen vom unbekannten "Krieg mit mir selbst" oder "So kaputt" war klar: Das wird kein typischer Revolverheld-Abend. "Ich gebe schon zu, dass dieses Album minimal anders klingt als die anderen", verriet Sänger Johannes Strate grinsend. Harte Gitarrenriffs, ungeschliffene Sounds und eine energiegeladene, rockige Grundstimmung. Hörte sich wirklich erst mal gar nicht nach Revolverheld an. Bei "Sperrig" klangen sie ein wenig wie Kraftklub und in "Alles nie genug" brachten die kräftigen Gesangspassagen und die powernden Gitarren ein wenig Erinnerungen an die klangliche Tiefe von Bands wie Linkin Park zurück.

Konzert als Experiment: Immer wieder prüfende Blicke ins Publikum
Auch Hits wie "Das kann uns keiner nehmen" oder "Ich lass' für dich das Licht an" gab es in einer rockigen Version. Strate erkundigte sich immer wieder mit prüfendem Blick ins Publikum, wie der neue Sound ankam und wollte als sorgender Familienvater einem ganz jungen Fan noch Ohrenschützer zuwerfen. Trotz Rockröhre standen da immer noch die netten Jungs von nebenan auf den Brettern. Ablegen konnten sie ihr Image nur durch neuen Sound nicht. Die meisten Fans schienen angetan, auch wenn das große Mitsingen und Mitkuscheln ausfiel auf diesem Experiment, getarnt als Konzert.
Musik zum Mitnehmen, jeder ging mit Schallplatte nach Hause
Durch die harten Riffs ging im Backstage allerdings eins verloren, was für den Erfolg der Band über Jahre das Wichtigste war. Die wunderbar zarte und Wände durchdringende Stimme von Leadsänger Strate. Immerhin bei "Halt dich an mir fest" gab es den Gänsehaut-Sound nur mit Klavierbegleitung, für den viele hier waren.
Am Ausgang wartete auf jeden Besucher eine Tasche mit Schallplatte, CD und Download-Code. So konnten die neuen Songs zu Hause doch noch mal angehört werden. Musik zum Mitnehmen oder einfach eine ganz andere Art von Live-Album.
- Themen:
- Kultur