Netrebko in Regensburg: Warum hier dahinträumen?

Anna Netrebko singt vor Schloss St. Emmeram in Regensburg – vor dem Veranstaltungsort demonstrieren Ukrainer.
Eberhard Iro/RBR |
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Die Netrebko als Symbolfigur: Proteste gegen den Auftritt von Anna Netrebko in Regensburg, dem weitere Termine in Köln, Hamburg und Frankfurt folgen sollen.
Die Netrebko als Symbolfigur: Proteste gegen den Auftritt von Anna Netrebko in Regensburg, dem weitere Termine in Köln, Hamburg und Frankfurt folgen sollen. © Ute Wessels/dpa

Grausam ging es zu bei der zweiten Operngala der diesjährigen Regensburger Schlossfestspiele. Graf Luna lässt in Guiseppe Verdis "Il Trovatore" unwissend seinen eigenen Bruder töten, Aida wird mit Radames in "Aida" lebendig begraben, der Kardinal lässt in Jacques Halévys "La Juive" seine eigene Tochter als vermeintliche Jüdin verbrühen und die unschuldig zum Tode verurteilte Anna Bolena wird in Gaetano Donizettis gleichnamiger Oper wahnsinnig.

 

Demo gegen Netrebko-Auftritt in Regensburg

Auf andere Grausamkeiten wiesen draußen vor dem Schloss St. Emmeram ein Häuflein Demonstranten in Ukraine-Farben hin. "Anna, wie wär's mit einem Benefizkonzert in der Ukraine?", "Keine Unterstützung dubioser russischer Kulturvertreter" und "Nicht in NY, nicht in Stuttgart, warum hier?" war darauf zu lesen – in Anspielung auf Absagen ihrer Auftritte durch große Opernhäuser und die Streichung eines Freiluftkonzerts vor dem Stuttgarter Schloss.

Dort teilte das zuständige Finanzministerium mit, dass es einen Auftritt der Sängerin nicht für vorstellbar halte, während der Krieg in der Ukraine andauere.

Die Sängerin mag nicht so regimenah wie der Dirigent Valery Gergiev sein. Trotzdem ließ sich Anna Netrebko 2014 mit einem prorussischen Separatisenführer aus der Ostukraine vor einer Fahne "Neurusslands" fotografieren, während sie einen Spendenscheck für die Oper im schon damals umkämpften Donezk überreichte.

 

Netrebko vermeidet klares Statement zum russischen Angriff auf die Ukraine

Aktuelle Äußerungen wirkten von PR-Agenturen und Medienanwälten bis zur Unpersönlichkeit weichgespült. Ihr Ehemann, der Tenor  Eyvazov, verwahrte sich dagegen, "Künstler oder irgendeine öffentliche Person zu zwingen, ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen".

Anna Netrebko und Yusif Eyvazov in Regensburg.
Anna Netrebko und Yusif Eyvazov in Regensburg. © Jens Niering

Nach anhaltender Kritik ließ Anna Netrebko erklären, dass ihre Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten. "Tatsächlich habe ich Präsident Putin in meinem ganzen Leben nur eine Handvoll Mal getroffen, vor allem im Rahmen von Verleihungen von Auszeichnungen für meine Kunst oder bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele." Zudem habe sie nie eine finanzielle Unterstützung von der russischen Regierung erhalten.

In Regensburg wurde zwar zusätzliches Sicherheitspersonal engagiert. Sonst hielt man sich bei dem nach Angaben des Veranstalters Reinhard Söll ausverkauften Konzerts an die Musik und die Sänger. Neben Netrebko und Eyvazov waren dies Vera Semieniuk (Mezzosopran) und Elchin Azizov (Bariton), die vom dankbaren Publikum mit Bravorufen und Ovationen überhäuft wurden.

 

Netrebkos Gesang (meist) bestechend

Nun, enorme Leuchtkraft hat das üppige Organ der Netrebko. Sie demonstrierte es als Julia in "Dieu! Quel frisson" aus Charles Gounods "Roméo et Julietta". Auch die zarten Töne waren (meist) bestechend. So entflogen die Pianissimo-Höhen in "La fatal" aus "Aida" gleichsam zu den Sternen. Mutig, dass sie den Abend gleich mit Anna Bolenas "Piangete" eröffnete, wo sie über weite Strecken ohne oder mit kaum Orchesterbegleitung ihre Stimme gleichsam nackt präsentierte. Einfühlsam spielte sie mit facettenreicher, satt dunkler Stimme die dem Wahnsinn Verfallene. Nur beim Vibrato, da wäre weniger oft mehr. Auffallend, wie der Wechsel zur russischen Sprache den Klang veränderte, hin zu wohlig weichen Konsonanten bei einer Szene aus Tschaikowsky "Pique Dame".

Einen Schuss Puszta-Timbre zauberte sie in "Heia" aus der "Csardasfürstin von Emmerich Kálmán, ihre Zugabe. Der Gatte glänzte in "Nessun dorma" aus Giacomo Puccinis "Turandot". Anspruchsvoll, weil lyrisch und heldenhafter Tenor gefragt ist, ist Manricos Arie "Ah! Sì ben" aus "Anna Bolena", mit der sich Eyvazov den Regensburgern vorstellte. Er überzeugte darin mit zwar leicht metallischem, aber über alle Register stabilen und machtvoller Stimme, Inbrunst und guter italienischer Deklamation. Allein, stellenweise wirkten an diesem Abend seine Höhen etwas gepresst.

Elchin Azizov verpasste seinem "Votre toast" aus George Bizets "Carmen" überzeugend das nötig Quantum Macho, schien im Volumen begrenzt. Vera Semieniuk ließ einen gemeinsam mit Netrebko in Jaques Offenbachs "Barcarole" dahinträumen.

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Bleiben noch die Hofer Symphoniker unter Michelangelo Mazza: Schmissig feurig die Ouvertüre zu "Carmen", schöne Crescendi quasi aus dem Nichts heraus und fein positionierte Rhythmen in der Ouvertüre zu "Nabucco". Ansonsten blieben sie verlässliche Begleiter.

Unter den Zuschauern im Schlosshof war auch Hausherrin Gloria Fürstin von Thurn und Taxis. Der Sängerin scheint es in Regensburg gefallen zu haben. Auf Instagram veröffentlichte sie zahlreiche Fotos von Spaziergängen in der Altstadt, an der Donau und einem Besuch des nahe gelegenen Ruhmestempels Walhalla.

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