Kritik

Münchner Philharmoniker: Eine Apotheose aus dem Monumentalfilm

Krzysztof Urbanski, Nicolas Altstaedt und die Philharmoniker mit Korngold und Strauss in der Isarphilharmonie.
Michael Bastian Weiß |
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Der Cellist und Dirigent Nicolas Altstaedt.
Der Cellist und Dirigent Nicolas Altstaedt. © www.marcoborggreve.com

München - Selten lässt einen ein Konzert so zwiegespalten zurück wie dieses. Ein exquisiter Cellist, ein versierter Dirigent, unter dem die Münchner Philharmoniker daherkommen wie extra herausgeputzt, gleich vier Werke, allerdings von unterschiedlicher Qualität. Wiegt das Hinreißende das Bedenkliche auf?

Formale Unübersichtlichkeit bei gleichzeitig zugänglicher Klangoberfläche

Die hellhörige Isarphilharmonie hat hier etwas Gutes. Denn man kann das Publikum bespitzeln. "Das war ja noch langweiliger als der Korngold", raunt der Herr hinter dem Kritiker seiner Frau zu - und bringt es auf den Punkt.

"Das", das ist das Cellokonzert des 1954 geborenen Schweden Anders Hillborg, 2020 uraufgeführt und hier in deutscher Erstaufführung präsentiert. Mit dem Violoncellokonzert C-Dur des bereits erwähnten Erich Wolfgang Korngold teilt es sich eine formale Unübersichtlichkeit bei gleichzeitig zugänglicher Klangoberfläche.

Glasige Streicher und ein mittelalterlich anmutender Kontrapunkt

Doch während der Spätestromantiker Korngold gar nicht verhehlt, den nostalgischen Traum eines unwirklich gewordenen C-Dur zu träumen, tut Hillborg mit seiner elementaren Tonsprache so, als ob er 150 Jahre Musikgeschichte ungeschehen machen könnte, wenn er nur weit genug zur Natur zurückginge.

Glasige Streicher, mittelalterlich anmutender Kontrapunkt, am Ende eine Apotheose wie aus einem Monumentalfilm verdichten sich zu einem naiven, knapp an der Esoterik vorbeischrammenden Mystizismus.

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Nicolas Altstaedt, der Solist der Uraufführung, legt sich für das Werk ins Zeug und erntet dafür beim Schlussapplaus auch die Dankbarkeit des anwesenden Komponisten. Der deutsch-französische Cellist hat einen apart würzigen Ton, auf dessen Oberfläche sich reiches Leben abspielt, der aber durch seine klare Randung gleichzeitig durchsetzungsfähig bleibt.

Diese Deutlichkeit wirkt Wunder in Korngolds Cellokonzert, das in dem Film "Deception" ("Trügerische Leidenschaft") mit Bette Davis eine eigene Rolle hat. Scharf konturiert gleitet Altstaedt durch den überladenen Orchestersatz und kommt beim Schmachten ohne jedes Hollywood-Pathos aus. Wenn die Traumfabrik wieder einmal einen Musikerfilm drehen wollte, wäre Krzysztof Urbanski mit seinem ansehnlichen Dirigierstil, zu dem auch ein neckisch geschwungenes Spielbein gehört, die perfekte Besetzung.

Urbanskis elegante Attitüde droht in Unverbindlichkeit zu kippen

Urbanskis unleugbare, bisweilen süffisant wirkende taktschlägerische Virtuosität strahlt auf die luxuriösen Philharmoniker aus. Doch müssten nicht im "Don Juan" von Richard Strauss plastische Gesten aus dem Mischklang herausragen, müssten in seinem "Till Eulenspiegel" die Anspielungen nicht hintergründiger erscheinen und die kammermusikalischen Passagen fein gezeichnet statt breit gepinselt werden? Urbanskis unerschütterlich elegante Attitüde läuft immer Gefahr, in Unverbindlichkeit zu kippen.

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