Liebe auch für Uli Hoeneß
Trotzdem überzeugt Jan Delays neues Album „Hammer & Michel“ eher selten
Der Chefstyler ist zurück. Fünf Jahre hat es gedauert bis Jan Delay mit seiner Disko No. 1-Truppe wieder musiziert. Der Mann, der nach seiner Beginner-Zeit zum ewig wie aus dem Ei gepellten Anzugträger wurde, tut nun, als wolle er mit seinem neuen Album Hammer & Michel das Sakko an den Nagel hängen und gegen die Lederjacke eintauschen. Am besten so wie auf dem Cover. Dunkelschwarz mit Nieten und dickem Aufnäher.
Also ab auf die Harley und das raspelkurze Haupthaar im Wind flattern lassen. Mit „Liebe“: Schneidende Gitarren, verzerrt versteht sich. Aber der zweite Gang scheint zu klemmen. So müht man sich im Midtempo durch die vielen Liebesbekundungen: „Ich habe sogar Liebe für Uli Hoeneß", heißt es da. So viel Solidarität und Gutmenschsein haut einen fast vom Motorrad.
Die nächsten Lieder schalten dann endlich mal hoch. Abgehackt preschen die Gitarren nach vorne. Aber es beschleicht einen ein komisches Gefühl. Es wirkt nicht authentisch. Da bestechen die Strophen mit Hard Rock Anleihen, die dann im Refrain weggebügelt werden. Das kann im Falle von „Sie kann nicht tanzen“ mal richtig schön sein: wenn die Orgel sanft im Hintergrund agiert und im „Oh Jonny“-Stil die Mitsinggarantie verteilt wird. Andererseits hört sich das zu oft unbalanciert an. Vor allem wenn der Verzerrer durch die aalglatte Produktion öfters geschmeidig schnurrt, als donnernd röhrt.
„Fick" beschreibt den musikalischen Wechsel: "tausche Mobb Deep gegen Deep Purple". Nicke mit dem Beat und beweg dein Gesäß möchte man da sagen. Doch abkaufen tut man Jan Delay diese ganze Rockersache nicht wirklich. Der Harley werden Stützen angeschraubt. Zu viel Angst, wirklich den Schritt in die neue Richtung zu wagen. Mit „Scorpions-Ballade" wird es ruhig. Wenn man jetzt feststellt, dass sich der Song tatsächlich wie ein Scorpions-Lied anhört, kann je nach Auslegungssache Lob oder Beleidigung sein. „Nicht eingeladen" will gleich im Anschluss auf dicke Hose machen. Der 2-Akkorde-Refrain ist aber so unoriginell, dass aus der dicken Hose, dünne Shorts geworden sind. Vielleicht mit AC/DC-Aufnäher. Dann aber von Oma draufgestickt.
Wirklich zu überzeugen weiß „Action". Delay besinnt sich auf seine alten Stärken: Funkige Bläser und soulige Backgroundsängerinnen. Ein flotter Song mit Hitpotenziel, der sich zwischen all den übrigen Fehlzündungen, wie V-Power im Tank anfühlt. Um dann auch dem allerletzten Hörer mitzuteilen, was Jan Delay vorhat, behaupter er: "ich will hier weg, ich geh nach Wacken, ich habe Eier groß wie Kürbisse und 'n Mittelfinger für eure Bedürfnisse." Wo wir wieder bei der vermeintlichen dicken Hose wären.
Hammer & Michel kann einmal zum Sprint ansetzen, säuft aber in der musikalischen Belanglosigkeit zu oft ab. Somit ist aus der röhrenden Harley-Davidson dann doch nur ein schepperndes Mofa geworden.