Jürgens-Freund: "Udo war ein einsamer Mensch"

Michael Kunze schrieb die Texte für die größten Hits von Udo Jürgens und blieb auch nach der Zusammenarbeit mit dem Sänger befreundet. Sein letztes Telefonat mit ihm, seine Erinnerung an ihn.
von  Volker Isfort
Michael Kunze mit Frau Roswitha und Udo Jürgens bei der Musical-Premiere „ Elisabeth“ in Stuttgart (2005).
Michael Kunze mit Frau Roswitha und Udo Jürgens bei der Musical-Premiere „ Elisabeth“ in Stuttgart (2005). © Foto: People Image/Florian Seefried

München - Der 1943 in Prag geborene Autor und Librettist Michael Kunze schrieb Hits, die mit 79 Goldenen und Platin-Schallplatten ausgezeichnet wurden. Ohne Michael Kunze wäre die deutschsprachige Musikwelt eine Wüste. Er entdeckte Peter Maffay, textete Hits für Peter Alexander oder Jürgen Drews, und schrieb für Udo Jürgens die Texte, die Klassiker wurden: „Ein ehrenwertes Haus“, „Ich war noch niemals in New York“, „Griechischer Wein“ und viele mehr. Auf dem Höhepunkt seines Schlager-Ruhms zog er sich zurück, wurde erst Romanautor dann Übersetzer von Musicals („Cats“, „Phantom der Oper“) und schrieb schließlich eigene Musicals wie „Elisabeth“ oder „Marie Antoinette“.

AZ: Herr Kunze, wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Udo Jürgens?

MICHAEL KUNZE: Ich habe zu seinem 80. Geburtstag lange mit Udo telefoniert, er klang so ungeheuer vital. Er hat ja immer wahnsinnig viel Energien aus seinen Tourneen geschöpft.

Aber warum tat er sich diesen Tournee-Stress überhaupt noch an?

Er brauchte das, das war sein Leben. Udo war im Kern ein sehr einsamer Mensch. Aber diese Liebe des Publikums, diese Begeisterung von Tausenden von Menschen, das war sein Energieschub. Er wirkte Jahrzehnte jünger als ein Mann mit 80 Jahren. Die Hüftoperation hatte ihm schon sehr zugesetzt und ihn geschwächt. Aber er hat das natürlich auch überspielt. Im Grunde, so schlimm das klingt, ist diese Art des Todes auch ein Glücksfall für ihn. Wir haben uns oft gesehen und auch über den Tod gesprochen. Seine größte Angst war immer, eines Tages lange dahinzusiechen oder auf der Bühne vor Schwäche zusammenzubrechen.

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Wann begann eigentlich ihre legendäre Zusammenarbeit mit Udo Jürgens?

Sein Manager Hans R. Beierlein hat uns Anfang der 70er Jahre zusammengebracht. Udo war ja spätestens seit seinem Album und seiner Tournee „Udo 70“ ein Superstar, ich war ein noch fast unbeschriebenes Blatt.

Hat er Sie das spüren lassen?

Überhaupt nicht! Die Zusammenarbeit war menschlich sehr harmonisch, Udo hatte großen Respekt vor meine Arbeit, er wusste ja selbst am besten wie schwierig es ist, gute Texte zu schreiben.

Wann haben Sie gemerkt, dass Udo Jürgens mehr auf dem Kasten hatte als die anderen?

Spätestens als er sich an den Flügel gesetzt hatte. Es gibt ja nicht viele Menschen im Unterhaltungsfach, die einen eigenen Stil und Ton haben, aber Udo erkennt man sofort nach wenigen Takten.

Was ist das Geheimnis, dass er so lange so meilenweit über den anderen flog?

Es ist seine überragende Begabung, er konnte ja selbst für sich als Sänger komponieren und er war halt auch ein bisschen intelligenter als die anderen. Er hat sich nie für billige Sachen verkauft, er hatte immer auch eine Haltung.

Seine gesellschaftskritischen Songs werden gelobt, geschrieben haben die aber Sie – mussten Sie ihn dazu überreden?

Nein, Udo war zwar streng genommen kein besonders politischer Mensch, aber ein hellwacher Geist und ein guter Beobachter gesellschaftlicher Zustände. Er konnte sich auch wahnsinnig über Politiker und über die Kirche aufregen.

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Hat er Ihnen übel genommen, dass Sie auf dem Höhepunkt des gemeinsamen Erfolges Ihren Beruf gewechselt haben?

Nein, überhaupt nicht. Wir blieben befreundet, und er hat immer mal wieder gefragt, ob wir nicht was zusammen machen könnten. Wir haben ja dann noch einen Song gemeinsam gemacht, „Was wichtig ist“. Aber eine Anekdote finde ich typisch für Udo. Ich hatte Premiere von meinem ersten Musical „Elisabeth“ und war wahnsinnig nervös. Dann hat mich Udo angerufen und gesagt, ich solle mir keine Gedanken machen, er habe für mich eine Rose vor das Denkmal für Johann Strauss im Wiener Stadtpark gelegt, so wie er es auch immer vor seinen Tourneen gemacht hatte. Ein sehr rührender Freundschaftsbeweis, und es ging dann ja auch alles gut: Die Kritik hat das Musical zwar verrissen, aber es wurde ein riesiger Erfolg.

Haben Sie es je bereut, dass Sie ins Musicalfach gewechselt sind und keine Hits mehr geschrieben haben, auch nicht für andere Sänger?

Es gibt heute ja gar keine Sänger mehr, die solche Texte wie Udo interpretieren könnten. Und Lieder schreiben ist eine sehr einsame Arbeit. Ich liebe inzwischen die Gruppenarbeit am Theater, gemeinsam mit einem Ensemble. Das macht einfach unglaublichen Spaß.

Michael Kunzes Musical „Elisabeth“ gastiert vom 26. März bis 7. 6. 2015 im Deutschen Theater

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