Jazzrausch Bigband mit "Mahler's Breakdown" in der Isarphilharmonie

Publikum, Raum, Musik: Drei Wunder geschehen bei der Jazzrausch Bigband. Diese ist mit ihrem neuen Album "Mahler's Breakdown" in der Isarphilharmonie am Start.
von  Adrian Prechtel
Ganz zu Anfang saßen noch die meisten, so dass man gut sieht, wo man hier ist: Die 15-köpfige Jazzrausch Bigband verwandelte auch durch elegantes Bühnen- und Lichtdesign den klassischen Saal der Isarphilharmonie in einen fantastischen Club.
Ganz zu Anfang saßen noch die meisten, so dass man gut sieht, wo man hier ist: Die 15-köpfige Jazzrausch Bigband verwandelte auch durch elegantes Bühnen- und Lichtdesign den klassischen Saal der Isarphilharmonie in einen fantastischen Club. © Sebastian Reiter

Um 20.05 Uhr geht's los – ungewöhnlich, eigentlich zu früh für eine Clubband und fast spießig nur 5 Minuten nach dem Anfangszeit-Aufdruck der Eintrittskarte. Aber dann passieren in den nächsten zwei Stunden drei Wunder. Das Erste ist der Ort: Denn die klassische Isarphilharmonie kann als kompakter schwarzer Kubus mit ihrer differenzierten Akustik – auch bei elektronischer Verstärkung – und genügend Raum vor den Sitzen zum Club werden.

Und da darf auch zwischen den Sätzen von Mahlers 5. Symphonie gejubelt und geklatscht werden. Ironisch witzig moderiert von Bigband-Leader Roman Sladek, der zugibt, dass der erste Satz "Trauermarsch" nicht ganz zum Techno-Tempo passt. Beim zweiten Satz "stürmisch bewegt" sei aber Schluss mit der Tanzoption, die jetzt zur Verpflichtung würde. Und 1800 Leute tanzten von nun an durchgehend – mit kurzer "Adagietto"-Unterbrechung.

 

Jazzrausch Bigband: Die Melodik kann sich groovend entfalten

Womit man beim Publikumswunder ist, das jedem anderen Konzertveranstalter die Neidblässe ins Gesicht treiben müsste. Denn als Sladek das Publikum fragt, wer zum ersten Mal in einem Jazzrausch-Konzert sei, gingen ein Drittel der Hände hoch. Das heißt, 600 neue Fans waren gewonnen – durch den frechen Bogen zur Klassik am klassischen Ort der Philharmonie, denn Schwellenangst gibt es natürlich auch umgekehrt, wenn man als neugieriger Ü40er sonst einen Techno-Club betreten müsste.

Bleibt als drittes Wunder die Musik. Denn akustisch waren die durchaus auch anstrengenden Dauerbeats nicht so dominant in den Vordergrund geschoben. So konnte sich Melodik groovend entfalten, musikalische Themen – oft in Loops – waren herauszuhören, so dass ein Tuba-Rausch schon auf die Wiesn einstimmte, der man den Jazzrausch jedenfalls als Gastspiel wünscht. Ein feiner Zug ist es, sich als All-Star-Band zu verstehen, so dass jeder der 15 kurz lässig vorgestellt wurde.

Als es nach Mahler mit Europa-Themen und dann Literatur weiterging, wünschte man sich zu dieser Anne-Clark-artigen Rezitation, die in der Jazzrausch-Fülle etwas unterging, noch ein digitales Textlaufband zu dem eleganten Leuchtkasten-Zickzack, um auch noch die "Literatur" im Gesamtkunstwerk aus Performance, Raum und Publikum wahrnehmen zu können.

Das Album "Mahler's Breakdown" erscheint bei ACT Mitte Oktober.
Live: 3.11., St. Lukas im Lehel: "For Heaven's Sake", 16.12., Isarphilharmonie, Weihnachtskonzert: "Jazzrausch Bigband x Münchner Symphoniker"

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