Hidalgo-Festival im Sugar Mountain: Liederabend arbeitet Missbrauch im Musikbetrieb auf

Mit aktuellen und historischen Beispielen setzt sich der Liederabend "Rape & Culture" mit Gewalt gegen Frauen in der Musik auseinander. Der Abend ist Teil des Hidalgo-Festivals im Sugar Mountain.
Robert Braunmüller
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Szene aus dem inszenierten Liederabend "Rape & Culture" im Sugar Mountain.
Szene aus dem inszenierten Liederabend "Rape & Culture" im Sugar Mountain. © Max Otte

München - Sein bisweilen die Grenzen der Bienséance überschreitender, weltumspannender Eros hatte für ihn schwerwiegende rechtliche Folgen, sagt die Stimme aus dem Lautsprecher. Aber ganz schlimme auch wieder nicht. Der hier Berichtende hat den wegen sexueller Nötigung verurteilten Ex-Präsidenten der Münchner Musikhochschule noch vor drei Wochen auf freiem Fuß gesehen: bei einem Klavierabend der Salzburger Festspiele, als Besucher. Denn noch immer gelingt es Siegfried Mauser, sich seiner Haftstrafe zu entziehen.

Choreographische Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch 

Damit sind wir beim Kern des Abends "Rape & Culture", einem von Tom Wilmersdörfer inszenierten und von Francesco Veccione choreografierten Liederabend des Hidalgo-Festivals. Er setzt sich im Sugar Mountain mit sexuellem Missbrauch im Musikbetrieb auseinander - ohne Nennung konkreter Namen und ästhetisch sublimiert. Dafür steht am Anfang und am Ende das von Mozart vertonte Goethe-Gedicht vom Heideröslein, das sich zwar wehrte und stach, vom Knaben allerdings trotzdem gebrochen wurde. Die Konkretisierung besorgen Zitate aus Interviews mit Betroffenen.

Klassische Werke enthalten Anspielungen 

Die klar und sauber singende Sopranistin Ketean Chuntishvili kontert die Berichte über übergriffige, ältere Charismatiker aus dem Lehrbetrieb der Musikhochschulen mit dem Kunstpathos von Franz Schuberts "An die Musik". Sie unterstreicht es aber auch mit Liedern von Richard Strauss und Werken wie Beethovens "Der Kuss" oder Schuberts "Gretchen am Spinnrade". Das kann einen auf die Idee bringen, dass die Rechtfertigung sexueller Übergriffe in der Kultur des deutschen Kunstlieds zum guten Ton gehört.

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Tänzerinnen stellen Machtgefälle auf der Bühne dar

Fünf Tänzerinnen und Tänzer stellen den Mächtigsten im Musikbetrieb dar: den Dirigenten. Die Körpersprache verweilt zwischen klassischem Ballett und Modern Dance. Der Choreograf hat ein starkes Gespür dafür, durch Berührungen am Kopf, das Ziehen an den Beinen sowie durch zerplatzende und aneinander geriebene Luftballons streng stilisiert Gewalt und Ekel auszudrücken. Gegen Ende wird das Klavier zum Tribunal, an dem sich in Täter-Opfer-Umkehr die missbrauchte Sängerin zu rechtfertigen hat. Da wird wieder unmissverständlich auf den Fall Mauser und die ungute Rolle von Mitgliedern der Bayerischen Akademie der Schönen Künste angespielt.

Das Sugar Mountain - ein wirkungsstarker Spielort

Ketean Chuntishvili singt mit maximaler Textverständlichkeit, Brigitte Helbig meistert den orchestralen Klaviersatz von Richard Strauss. Zu den Repertoirestücken gesellt sich gleichrangig das "Lied der Nacht" von Alma Mahler. Am Ende wird körpersprachlich darauf verwiesen, dass Liebe und Mitmenschlichkeit am ehesten unter Gleichrangigen ohne Machtgefälle funktioniert. Auch wenn einige Übergänge nicht glatt funktionieren, bleibt "Rape & Culture" durchwegs auf der Höhe des Problems. Und das Sugar Mountain, ein ehemaliges Betonwerk nahe der U-Bahn Machtlfinger Straße, ist ein kraftvoller Spielort, dessen Möglichkeiten längst nicht ausgereizt sind.

Ein Video der Aufführung auf www.hidalgofestival.de

 


Eine  frühere Version dieses Beitrags hatte die falsche Behauptung   enthalten, Siegfried Mauser sei  "wegen Vergewaltigung und dreifacher sexueller Nötigung " veurteilt worden.  Wir bedauern den Fehler. Richtig  ist, dass Herr Mauser wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde.

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