Herbert Pixners frischgepresster Alpen-Sound
Er ist nicht mit seinem Roadster, einem Triumph Spitfire, nach München zum Interview gekommen. Das ist nämlich ein klassischer Freizeitwagen, dem Herbert Pixner schon eine lustige Komposition gewidmet hat. Aber bei Herbert Pixner muss es seit einigen Jahren schneller gehen. Denn nach den CDs „Quattro“ und „Volksmusik!“ ist jetzt gerade noch „Summer“ herausgekommen. Und zwischendurch nimmt Pixner als Produzent auch noch CDs von anderen alpinen Musik-Legenden auf.
AZ: Herr Pixner, Sie entwickeln sich immer mehr auch zum Musikarchäologen und Produzenten.
HERBERT PIXNER: Ja, und es ist zeitraubend, aber das beflügelt mich unwahrscheinlich. Ich war heute bis um halb fünf in meinem Innsbrucker Studio, es wurde gerade Tag.
Hatten Sie dabei Ihre impressionistisch-romantische Komposition „Morgenröte“ im Ohr?
Es ist ja ausnahmsweise schönes Wetter. Wenn man wochenlang im Studio ist, spielt das Wetter keine Rolle mehr. Man tüftelt, ist nervös, hat zu wenig Zeit. Es hat sich in den letzten fünf Jahren in meinem Leben so viel geändert: Umzug nach Innsbruck, Kinder, geheiratet, von kleinen Bühnen auch in große Hallen. Wenn ich zurückdenke an die Zeit, wo ich mich im Sommer noch auf eine Alm zurückgezogen habe, kommt mir das jetzt vor, als sei’s zwanzig Jahre her. Ich bin – irgendwie – ein Getriebener mit eigenem Label, eigenem Vertrieb und einer Produktionsfirma für Servus TV.
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Fühlen Sie sich dann auch um zwanzig Jahre gealtert?
Na ja, es gab halt eine Zeit, wo man drauflosgespielt und gehofft hat, dass es schöne Häuser oder Theater sind, wo man auftritt. Jetzt ist es mega, ich kann’s mir aussuchen. Das geht vom Münchner Brunnenhof in der Residenz über den Circus Krone bis zum Gasthof Hirzinger im Chiemgau. Aber all das funktioniert, weil ich mich mit Menschen umgeben habe, die bei alledem mitziehen. Man darf es nicht als Belastung, sondern sollte es als Privileg empfinden, dass ich alle Ideen, die ich habe, auch umsetzen kann. Und Momente, in denen man lieber kellnern würde, kennt ja jeder.
Und wie findet und behält man in diesem Wahnsinn seinen Stil?
Ich bin vor Jahren aus der ganz traditionellen Volksmusik ausgebrochen. Nicht, weil ich sie schlecht fand, aber sie war für mich reizlos geworden. Man war da in so einer Art Volksmusiksekte, die verlangt hat, dass alles genau so gespielt werden muss, wie es angeblich immer war – was natürlich gar nicht stimmt.
Sie sind also ein Erneuerer der Volksmusik und retten sie damit vor der Nostalgiefalle.
Das sehe ich selbst nicht so. Wenn jemand heute nicht nur alte Volksmusikstücke nachspielt, sondern eigene erfindet, ergibt sich ganz natürlich etwas, das mit dem heutigen Leben zu tun hat. Gleichzeitig ist man ja an sein Instrument gebunden. Meine steirische Ziach ist diatonisch, also bleibt man in ihren fünf Tonarten gefangen und hat einen Klang, der sofort diese Volksmusikassoziationen weckt.
Deshalb spielen Sie ja auch noch andere Instrumente wie Trompete.
Und ich habe zu meinem Herbert Pixner Projekt noch den Bozener Manuel Randi dazugenommen, einen Gitarristen, der auf allen Gitarretypen gut ist. Das bringt neuen Reichtum, den man einfach über die Basis meiner Steirischen drüberlassen muss. Eine weitere Entwicklung ist: Ich muss für ein Wirtshaushinterzimmer anders komponieren und spielen als für eine große Halle, wo man mehr Groove und Druck braucht. Und jede CD ist auch noch eine Art musikalisches Tagebuch, die das Leben spiegelt. Und jetzt bin ich im Sommer angekommen. „Summer“ ist sicher die CD mit dem größten musikalischen Spektrum.
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Sie haben sich dafür jetzt auch noch serbische Verstärkung geholt.
Michael Kurina bringt wieder eine neue Klangfarbe und Dynamik rein – mit seinem Cimbalom, einer hackbrettartigen Kastenzither vom Balkan. Vielleicht sagt der ein oder andere: Ich hätte jetzt gerne mal wieder die alten Walzerle, aber wir machen das, was uns taugt!
Und trotzdem machen Sie keine beliebige Weltmusik.
Ja, es bleibt eben als Grundlage „alpin“. Diese Verwurzelung liegt an meiner Herkunft. Ich bin zwar in einem großen Bogen vom Bergbauernhof in Südtirol nach Innsbruck und damit vom Land in die Stadt gekommen. Und ich habe mich anfangs damit durchaus schwergetan. In Innsbruck sind eben nicht alle um 11 Uhr vormittags kurz im Wirtshaus auf einen Espresso. In Südtirol trifft man da lustigerweise immer alle: vom Handwerker bis zum Apotheker. Das ist südlich. In Innsbruck wächst kein Wein mehr, alles ist schroffer. Aber auch hier bleibt mein Stil vom Land geprägt.
Ihre CDs heißen deshalb auch „Bauern Tschäss“ oder „Blus’n auf!“
Aber allein schon die Instrumente ergeben eine bestimmte Klangfarbe. Da klingt eben auch ein Blues nach unserer Volksmusik. Wie ich überhaupt da keinen so großen Unterschied sehe zwischen einem amerikanischen Südstaatler an der Gitarre und einem Mittenwalder Holzer, der mit seinen Bratzen einen Landler spielt. Beides kann modern und erdig sein.
Das versuchen Sie mit der CD-Reihe „Alpine Legenden“ zu beweisen.
Es kommt einfach darauf an, dass es echt, also gelebt sein muss. So einer wie der Christoph Kriner oder Toni Hornsteiner wissen halt noch, wie man eine Gams schießt, kommen noch ohne Mitsubishi Pajero auf den Berg und verbreiten keine falsche Wildererromantik. Bei meiner Sendung auf Servus-TV habe ich dann auch dieses Mittenwalder Duo auf Hazmat Modine, eine achtköpfige Bluesband aus den USA, treffen lassen. Das ist zwar konträr, aber die haben gegenseitig eine unglaubliche Wertschätzung entwickelt. Die Amerikaner haben darum zu den Mittenwaldern gesagt: „Yeah, that’s blues!“
Wenn Sie eine CD mit Hornsteiner und Kriner aufnehmen, ist das nicht ein bisschen wie bei den Brüdern Grimm, die Märchen aufgeschrieben haben, damit sie nicht verloren gehen?
Ich mache keine Feldforschung und schüttle alte Leute, damit die noch was ausspucken, was schon nicht mehr Wirklichkeit ist. Ich mache Aufnahmen aus der aktuellen, gelebten Welt, auch wenn da vieles bald ausstirbt. Die nächste CD ist den Stanglwirt-Buam aus Going gewidmet.
Deshalb auch der freche Untertitel Ihrer CD „Finest handcrafted music from the alps“.
Seit den Heimatfilmen der 50er Jahre und den Trachtenvereinen für die Touristen verbindet man die Alpen mit einer bestimmten Volksmusik. Und meine Steirische zusammen mit Kontrabass und Tiroler Harfe ergibt eben eine typische Besetzung, die volksmusikalisch bleibt, auch wenn man dann Stücke wie meine Komposition Spitfire spielt.
Spielt der Parade-Südtiroler Luis Trenker für Südtiroler noch eine große Rolle?
Letztes Jahr hat sich der Sender Bozen geweigert, den Trailer des Films „Trenker – der schmale Grat der Wahrheit“ mit Tobias Moretti auszustrahlen. Der Film wurde als Rufmord empfunden, man hat geschrien: „Lasst mir den alten Trenker in Frieden. Der war ein liebenswerter Bursche, verwegen und erfolgreich!“
Das ist ähnlich wie bei Andreas Hofer als Freiheitshelden.
Wo ich herkomme, aus dem Passeiertal, war sein Geburtshaus. Da hat man vor zehn Jahren ein Museum ohne Heldenverehrung eingerichtet. Und sofort gab es starken Gegenwind. Dabei ist es schwer zu sagen, ob so jemand Freiheitsheld war oder Terrorist. Das gleiche gilt für die Gegenwehr gegen die Italienisierung Südtirols.
CD: Herbert Pixner Projekt: „Summer“ (CD, THS Records, 17,99 Euro)
„Summer“-Konzerttour:
Raum München:
28.7. Grünwald / Burg
21.8. Brunnenhof der Residenz (29 – 49 Euro, Tel.: 54 81 81 81)
21.10. Circus Krone (38 Euro, www.eventim.de, Tel.: 01806-570070)
Weitere Konzerte u.a.:
22.10. Rosenheim/KuKo
20.11. Ingolstadt/Festsaal