Fabio Luisi dirigiert Schumann und Brahms
Fabio Luisi dirigiert Symphonien von Robert Schumann und Johannes Brahms bei den Münchner Philharmonikern
Allein unter dem Aspekt des gemeinsamen
Musikmachens ist es eine wahre Freude, den Münchner Philharmonikern und Fabio Luisi zuzuhören. Und zuzusehen. Da ist ein echter Dirigent, eine mittlerweile allzu rar gewordene Spezies, dessen Gesten so elegant wie zielführend sind. In Zeiten des verlorengehenden Handwerks führt der Italiener vor, wie man es macht: Lange vor dem jeweiligen musikalischen Ereignis zeigt er an, wie er es haben will, sodass das Orchester sich darauf einstellen kann. Jede der ökonomischen Bewegungen hat einen Sinn, etwa heikle Stellen zusammen zu bringen.
In Robert Schumanns Symphonie Nr. 1 B-Dur, der „Frühlingssymphonie“, beeindruckt es schon, wie unaufgeregt Luisi die vielen intrikaten Tempowechsel des Kopfsatzes und des Scherzos hinbekommt und wie er das Finale, über die Vorschriften des Komponisten sogar noch hinausgehend, zu einer durch sinnvolle Rubati vielgliedrigen Erzählung strukturiert. Da gibt es kein ungefähres „Passt schon“ und schon gar keine peinlichen Schreckmomente. Der Fluss wird in jedem Augenblick willentlich geführt. Wie wohltuend eine sichere Dirigiertechnik doch ist!
Das gute alte Handwerk
Unter einem solchen souveränen Dirigat klingen die Münchner Philharmoniker auf der Höhe ihrer Möglichkeiten, weil Luisi echten Einfluss auf das Tutti hat und dieses sorgfältig modelliert. Die Streicher schmiegen sich in der Symphonie Nr. 4 e-moll von Johannes Brahms seidig ein, ohne gleich seifig zu werden, oder treten im Finale muskulös auf, ohne zu protzen; diese Feinheiten werden möglich, weil Luisi Vibrato und Bogendruck sehr bewusst und differenziert dosiert. Das wie bei den Philharmonikern stets edel timbrierte Blech integriert sich freundlich. Höchstens den Holzbläsern würde man ein wenig mehr Übermut wünschen, sie gehen bei Schumann ein, zwei Male unter. Auch könnten sie allesamt solistischer, frecher agieren, sich überhaupt mehr hervortun.
Ob Fabio Luisi das aber wirklich will, ist gar nicht so sicher. Er bevorzugt ein gediegenes Musizieren, in welchem die Diszipliniertheit Aller überwiegt. Das trägt freilich auch dazu bei, den Ausdrucksgehalt niedrig zu halten. Dass die „Frühlingssymphonie“ mitreißenden Aufbruch atmet und Brahms´ Vierte mit knirschender Leidenschaft die Lust an der Entsagung feiert, teilt sich nicht mit. Selbst in den Codas der Ecksätze zeigt sich Luisi zwar lebhaft, aber letztlich unbetroffen. Täuscht man sich, oder ist dieser Dirigent früher ein wenig mehr aus sich herausgegangen?